Die Erholung von der Corona-Krise verschiebt sich damit weiter nach hinten. Die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt - die USA und China - werden 2022 deutlich weniger zulegen als noch im Oktober geschätzt. Gleiches gilt für Deutschland. Ausserdem müssen sich die Länder an ein neues Umfeld mit höheren Zinsen gewöhnen, sagte IWF-Vizechefin Gita Gopinath am Dienstag in Washington.

Die globale Wirtschaftsleistung dürfte dieses Jahr um 4,4 Prozent zulegen, das sind 0,5 Punkte weniger als im Oktober gedacht. 2023 dürfte es dann zu einem Plus von 3,8 Prozent reichen, das wären 0,2 Punkte mehr als bisher prognostiziert. Zum Vergleich: Im ersten Corona-Jahr 2020 war die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent geschrumpft, 2021 dafür um 5,9 Prozent gewachsen.

Die exportstarke Industrie in Deutschland spürt seit längerem die globalen Lieferkettenprobleme. Der IWF sagt Deutschland vor diesem Hintergrund 2022 ein Wachstum von 3,8 Prozent voraus, das sich 2023 auf 2,5 Prozent abschwächen dürfte. Gegenüber Oktober entspricht dies für 2022 einer Senkung um 0,8 Punkte, dafür 2023 einer Steigerung um 0,9 Punkte.

Deutschland spürt Chinas Abkühlung

Deutschland spürt derzeit unter anderem die Abkühlung in China. Die Exporte in die Volksrepublik fielen im Dezember um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ein Grund dafür dürfte auch die Null-Covid-Strategie in China sein. Diese führt schon bei einer geringen Zahl von Ausbrüchen dazu, dass ganze Fabriken und Hafenanlagen geschlossen werden. Der IWF hat die Führung in Peking zu einer Abkehr von ihrem strikten Kurs aufgerufen. Die Beschränkungen erwiesen sich als Belastung - sowohl für die chinesische als auch für die globale Wirtschaft.

Kaum ein deutsches Unternehmen stellt wegen der Corona-Restriktionen aber seine Aktivitäten in China infrage. "In einer unserer Umfragen haben gerade 96 Prozent der Firmen angegeben, das Land nicht verlassen zu wollen", sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China, der Nachrichtenagentur Reuters. "70 Prozent planen weitere Investitionen in den nächsten zwei Jahren." Problamatisch seien die Reisebeschränkungen. "Es gibt so gut wie keinen geschäftlichen Austausch vor Ort mehr. Und angesichts der strengen Quarantäneregeln ist es sehr schwierig geworden, Personal aus dem Ausland nach China zu locken."

Inflation dürfte auch 2022 hoch bleiben

Die Inflation, die wegen hoher Energiepreise und Lieferschwierigkeiten sprunghaft gestiegen ist, dürfte zumindest 2022 noch hoch bleiben. Für die Industrieländer sagte der IWF eine Teuerung von 3,9 (2021: 3,1) Prozent voraus. 2023 dürften es dann wieder vergleichsweise normale 2,1 Prozent sein. In Schwellen- und Entwicklungsländern werden wesentlich höhere Inflationswerte von 5,9 und 4,7 Prozent erwartet. Sollte der Ukraine-Konflikt eskalieren, sei mit noch höheren Öl- und Gaspreisen zu rechen, sagte Gopinath.

"Die Geldpolitik ist an einer kritischen Kreuzung in den meisten Ländern", ergänzte die bisherige Chefökonomin des IWF. In einigen Bereichen seien Märkte überbewertet. Die Hoffnung sei, dass es bei steigenden Zinsen zu geordneten und nicht chaotischen Korrekturen komme. Steigende Zinsen dürften vor allem ärmere Staaten treffen und es noch schwerer machen, die Schulden zu bedienen. Hier müsse es Hilfen der Gläubiger geben. Entwicklungsländer seien schon in der Corona-Krise unter Druck gestanden. Hier seien erst vier Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, während es in Industrieländern 70 Prozent seien. Insgesamt schätzt der IWF die pandemie-bedingten Verluste für die Weltwirtschaft auf 13,8 Billionen Dollar bis 2024. Bisher wurde hier von 12,5 Billionen Dollar ausgegangen. 

(Reuters)