Es ist nicht üblich, dass in der Schweiz zwei der drei grössten Publikumsgesellschaften des Landes am selben Tag mit ihren Quartalszahlen aufwarten. Die Anteilseignerinnen und Anteilseigner von Roche und jene von Nestlé werden sich den heutigen Mittwoch allerdings gemeinsam dick in ihrer Agenda angestrichen haben – zumal beide Indexschwergewichte am Tag unmittelbar vor der Ergebnisveröffentlichung unter Verkaufsdruck standen. Den Valoren von Roche setzten enttäuschende Studienergebnisse zur Covid-19-Pille AT527 zu, die Nestlé-Aktie wurde für die durchwachsene Umsatzentwicklung des französischen Rivalen Danone in Sippenhaft genommen und mit Kursverlusten abgestraft.

Nestlé deutlich besser unterwegs als die Konkurrenz

In beiden Fällen zu unrecht, wie sich rückblickend herausstellt. Gerade Nestlé blickt auf ein starkes drittes Quartal zurück. Mit 6,5 Prozent liegt das organische Umsatzwachstum zwischen Anfang Juli und Ende September weit über den von Analysten erwarteten 3,8 Prozent. In den ersten neun Monaten konnte der Nahrungsmittelmulti aus Vevey den Umsatz damit aus eigener Kraft um 7,6 Prozent steigern.

Anders als Rivale Danone scheint der Nahrungsmittelmulti aus Vevey deutlich weniger Mühe zu bekunden, wenn es darum geht, gestiegene Herstellkosten über Preiserhöhungen an die Verbraucher weiterzureichen. Gleichzeitig liessen Marktanteilsgewinne bei Nestlé die Kasse klingeln. Dies so sehr, dass das Unternehmen entgegen anders lautenden Erwartungen sogar die diesjährigen Wachstumsvorgaben erhöhen kann. Neuerdings wird den Aktionärinnen und Aktionären ein organisches Umsatzwachstum zwischen 6 und 7 (zuvor 5 bis 6) Prozent sowie von einer operativen Marge (EBIT) von ungefähr 17,5 Prozent in Aussicht gestellt.

Die Analysten sind begeistert und sehen bei Nestlé sowohl mit den bereits durchgesetzten, als auch mit den noch in Aussicht gestellten Preiserhöhungen ein nicht unwesentlicher Unsicherheitsfaktor wegfallen. Wie Bernstein Research festhält, hätten die Waadtländer quasi den Mechanismus der "Preiselastizität" ausser Kraft setzen können, stiegen die Preise und die Absatzmenge doch gleichermassen. Die US-Investmentbank preist die Aktie mit "Outperform" und einem Kursziel von 124 Franken an.

Wie die Zürcher Kantonalbank festhält, erzielten nicht weniger als fünf der sieben Produktkategorien in den ersten neun Monaten ein Wachstum von mindestens 6,4 Prozent. Das stärkste Wachstum hätten dabei die als margenstark geltenden Bereiche Kaffee und Heimtiernahrung erzielt. Die Zürcher Bank stuft die Nestlé-Aktie mit "Übergewichten" ein.

Wie Julius Bär ergänzt, ist dies bereits die zweite Erhöhung der diesjährigen Wachstumsvorgaben in Folge. Die Zürcher Bank zählt die Aktie des Nahrungsmittelmultis mit einem Kursziel von 130 Franken zu ihren Favoriten.

Die Royal Bank of Canada erhöht ihr Kursziel für die Nestlé-Aktie auf 104 (zuvor 99) Franken. Ihr Urteil bleibt jedoch "Sector Perform".

Auch Roche kann im dritten Quartal an die Erfolge der ersten sechs Monate anknüpfen. Gerade im Pharmageschäft übertrifft der Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel selbst die optimistischsten Umsatzschätzungen.

Der Teufel steckt bei Roche im Detail

Das wiederum erlaubt es dem Pharma-Urgestein, ebenfalls die Jahresvorgaben anzuheben. Neuerdings wird ein im mittleren einstelligen Prozentbereich liegendes Umsatzwachstum angestrebt. Damit hatten viele Analysten jedoch schon im Vorfeld gerechnet, lag das Umsatzplus nach sechs Monaten mit 8 Prozent doch über den damaligen Vorgaben.

Wie Analysten festhalten, ist das starke Abschneiden im Pharmageschäft vor allem dem deutlich besser als erwartet ausgefallenen Absatz mit dem Brustkrebsmedikament Herceptin zu verdanken. Mit diesem liessen sich im dritten Quartal 665 Millionen Franken umsetzen. Analysten hatten bloss mit einem Umsatzbeitrag von 583 Millionen Franken gerechnet. Herceptin ist sowohl in den USA als auch in Europa vom Patentablauf betroffen.

Eher etwas enttäuscht zeigt man sich in Expertenkreisen vom Absatz mit Hoffnungsträgern wie dem MS-Mittel Ocrevus oder dem Krebspräparat Tecentriq. Bei beiden Medikamenten hatten Analysten mit höheren Umsätzen gerechnet.

Für Kepler Cheuvreux kommt die Erhöhung der Jahresprognosen keinesfalls überraschend. Wie andere Banken auch, hatte der Broker schon im Vorfeld mit einem solchen Schritt gerechnet. Sein Entusiasmus hält sich nicht zuletzt auch wegen der eher entwas enttäuschenden Absatzentwicklung bei den beiden Medikamenten Ocrevus und Evrysdi in Grenzen. Das Anlageurteil lautet "Hold" mit einem Kursziel von 320 Franken.

Es gibt aber auch optimistischere Wortmeldungen. So erhöht Bryan Garnier den fairen Wert für den Roche-Genussschein auf Basis der neuen Jahresvorgaben auf 377 (zuvor 360) Franken. Die Talsohle im Pharmageschäft sei durchschritten, ist sich der Broker sicher. Er hält deshalb an seiner Kaufempfehlung fest.

Nach einem frühen Vorstoss bis auf 359,70 Franken verliert der Genussschein von Roche zur Stunde mittlerweile gar 0,8 Prozent auf 355 Franken. Die Nestlé-Aktie haussiert hingegen um 3,4 Prozent auf 116,78 Franken. Das SMI-Schwergewicht schrammt knapp am bisherigen Rekordhoch vorbei.