Der russische Aussenminister Sergej Lawrow erklärte, der Fall sorge ausserhalb Russlands für "künstliche Resonanz" und diene westlichen Ländern nur dazu, von ihren eigenen Problemen abzulenken. Nawalny war am Sonntag kurz nach seiner Landung in Moskau festgenommen worden. Ihm werden Verstösse gegen Bewährungsauflagen vorgeworfen, weswegen ihm dreieinhalb Jahre Gefängnisstrafe drohen. Inzwischen äusserte sich Nawalny selbst. Seine Anhörung bereits am Montag sei "Gesetzlosigkeit höchsten Grades", erklärte er in einem Video auf Twitter.

Due deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Moskau. "Mit der Verhaftung Nawalnys vertauscht die russische Führung zynisch Täter und Opfer", erklärte die Ministerin. "Die Verantwortlichen für Nawalnys Vergiftung müssen zur Rechenschaft gezogen werden." Wie Kramp-Karrenbauer forderte Aussenminister Heiko Maas die umgehende Freilassung Nawalnys.

Russland sei durch seine Verfassung und durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden, erklärte Maas. Diese müssten selbstverständlich auch gegenüber Nawalny zur Anwendung kommen. Nawalny sei nach seiner Genesung aus eigenen Stücken und bewusst aus Deutschland nach Russland zurückgekehrt, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sehe. "Dass er von den russischen Behörden sofort nach Ankunft verhaftet wurde, ist völlig unverständlich", betonte Maas.

Auch die Aussenminister Grossbritanniens, Frankreichs, Italiens verlangten die unverzügliche Entlassung Nawalnys. Ähnlich äusserte sich Jake Sullivan, ein hochrangiger Berater des künftigen US-Präsidenten Joe Biden. US-Aussenminister Mike Pompeo erklärte, er sei zutiefst besorgt über die Festnahme Nawalnys.

Aus Furcht vor neuen Sanktionen gegen Russland nach der Verhaftung Nawalnys zogen sich Anleger am Montag aus dem russischen Rubel zurück. Im Gegenzug werten Dollar und Euro um jeweils knapp ein Prozent auf 74,255 und 89,565 Rubel auf. 

Internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht

Lawrow erklärte, die Freude der westlichen Politiker bei ihren Kommentaren über Nawalnys Festnahme sei geradezu zu spüren. Sie glaubten, damit könnten sie "von der schweren Krise ablenken, die das Modell der liberalen Entwicklung" durchmache. Russland selbst sei nicht um seinen Ruf besorgt. "Wir sollten vielleicht über unser Image nachdenken, aber wir sind keine jungen Damen auf dem Weg zum Ball", sagte er vor Journalisten. Lawrows Ministerium hatte Forderungen nach Freilassung bereits zuvor als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen.

Der Fall Nawalny hatte zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und Russland geführt. Die Bundesregierung und andere westliche Staaten sprechen von einem Mordversuch, bei dem Nawalny mit dem Nerven-Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden sei. Die Regierung in Moskau weist jede Verwicklung in den Vorfall zurück.

Nawalny war am Sonntag zum ersten Mal seit August zurück in seine Heimat geflogen, wo er als der führende Kritiker von Präsident Wladimir Putin gilt. Er hatte sich in Deutschland von der in Russland erlittenen Vergiftung erholt. Russische Behörden hatten schon im Vorfeld seines Flugs von Berlin nach Moskau eine Verhaftung mit Verweis auf anhängige Strafverfahren angekündigt.

Eine Sprecherin Nawalnys erklärte am Montag, es laufe bereits eine Anhörung Nawalnys in der Stadt Chimki bei Moskau. Die Sprecherin stellte auch die Videobotschaft auf Twitter, in der Nawalny die Legitimität des Verfahrens zurückweist. Laut Interfax wollen die russischen Behörden bei der Anhörung einen Verbleib des Oppositionspolitikers in Haft durchsetzen.

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Johann Saathoff, sieht im Fall Nawalny die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht. "Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das nicht nur eine bilaterale Angelegenheit ist", sagte der SPD-Politiker dem SWR. "Weil hier auch Menschenrechte betroffen sind, weil es um einen der führenden Oppositionspolitiker Russlands geht, ist es auch eine Angelegenheit der Staatengemeinschaft."

(Reuters)