Der Streit um die Zukunft des Bauchemieherstellers hat Verwaltungsratspräsident Paul Hälg zu ungewöhnlichen Mitteln greifen lassen. Für mehrere Abstimmungen an der Generalversammlung, die sich in Baar ZG stundenlang bis in den Abend hinzog, auferlegte er der Familie Burkard bzw. deren Schenker-Winkler-Holding eine Beschränkungen der Stimmrechte auf 5 Prozent. Die Nachfahren von Firmengründer Kaspar Winkler halten an sich 16 Prozent der Aktien und sind berechtigt, 53 Prozent der Stimmen auszuüben.

Mit der Stimmrechtsbeschränkung, die im Moment gerichtlich abgesegnet ist, sicherte Hälg sich selbst und den Verwaltungsräten Daniel Sauter, Monika Ribar, Christoph Tobler, Ulrich Suter und Frits van Dijk die Wiederwahl. Der Anwalt und Kandidat der Familie Burkard, Max Roesle, kam aus dem gleichen Grund nicht in den Verwaltungsrat. Die Firmenerben wollten Hälg und mehrere andere Verwaltungsräte loswerden, denn diese stellten sich seit vergangenem Dezember vehement gegen den Plan der Familie, ihre 16 Prozent der Aktien und damit die Stimmmehrheit für 2,75 Milliarden Franken an den französischen Konzern Saint-Gobain zu veräussern.

Für Sika wäre eine Kontrolle durch Saint-Gobain laut Hälg kein Vorteil: Er erläuterte noch einmal ausführlich, dass der grössere Konkurrent Sika auf zahlreichen Märkten in der Welt Nachteile verschaffen würde. Das über hundert Jahre alte Traditionsunternehmen Sika, das heute über 5 Milliarden Franken Umsatz erwirtschaftet und 17'000 Mitarbeiter hat, könnte in seiner heutigen, erfolgreichen Form nicht weiterexistieren, sagte Hälg. Eine Reihe von Votanten, darunter Vertreter von institutionellen Grossaktionären, signalisierten daraufhin ihre Unterstützung für Hälg und die Position des Verwaltungsrates.

Burkards lassen Muskeln spielen

Die Position der Erbenfamilie vertrat Urs Burkard, der ebenfalls im Verwaltungsrat sitzt. Die Beschneidung der Stimmrechte sei eine Enteignung. Mehrere Aktionäre unterstützten ihn und warfen dem Verwaltungsrat vor, die Aktionärsrechte der Erbenfamilie unzulässig einzuschränken. Die Schenker-Winkler-Holding startet schon den nächsten Versuch: Die Familie erhielt eine Mehrheit für eine ausserordentliche GV, bei der die ihr unliebsamen Verwaltungsräte abgesetzt werden sollen.

Beim Traktandum Décharge für 2014, wo keine Stimmrechtsbeschränkungen galten, setzte die Erbenfamilie dann ihre ganze Macht ein. VR-Präsident Hälg erhielt nur gut 25 Prozent der Stimmen. Den Verwaltungsräten Frits van Dijk, Monika Ribar, Daniel Sauter, Ulrich Suter und Christoph Tobler ging es ebenso. Urs Burkard bekam jedoch die Entlastung, genauso wie Willi Leimer und Jürgen Tinggren.

Absehbar ist damit, dass die Familie gegen die Verwaltungsräte, die nun keine Entlastung haben, rechtlich vorgehen. Die Décharge bedeutet, dass Verwaltungsräte für eine Geschäftsperiode von rechtlicher Belangbarkeit weitgehend ausgeschlossen sind. Ohne Entlastung können sie einfacher vor Gericht gebracht werden, was offensichtlich das Ziel der Sika-Familienerben ist.

Kein Lohn für Verwaltungsräte

Gegen Schluss der GV ereignete sich noch einmal eine Niederlage für die Verwaltungsräte. Über 70 Prozent der Sika-Aktionäre stimmten gegen den Vergütungsbericht - allerdings war die Abstimmung rein konsultativ. Noch etwas deutlicher war die Ablehnung von rund 3 Millionen Franken, mit denen die neun Verwaltungsräte entlohnt werden sollten: Dies ist eine Folge der Minder-Initative und bedeutet nun, dass die Verwaltungräte für ihre Arbeit bei Sika bis zur nächsten Generalversammlung keinen Lohn bekommen. Die künftige Vergütung für die Konzernleitung wurde dagegen mit 99 Prozent der Stimmen angenommen.

Die Anlagestiftung Ethos bekam nur rund 30 Prozent der Stimmen für den Antrag, die Opting-Out-Klausel zu streichen. Dies ist ebenfalls im Sinne der Familienerben und Saint-Gobain, weil die Franzosen wie bisher geplant die Stimmenmehrheit übernehmen könnten, ohne dass sie den übrigen Aktionären ein Kaufangebot unterbreiten müssen.

Ein Antrag der Bill and Melinda Gates Foundation und der Grossaktionäre Cascade, Fidelity und Threadneedle auf Sonderprüfung von Vorgängen rund um den Verkaufsplan der Familienerben erreichte hingegen eine Mehrheit - Punkt für den Verwaltungsrat. Auch die Einsetzung von Sachverständigen, welche die Strukturen zwischen Unternehmen und den Familien-Aktionären genauer unter die Lupe nehmen sollen, wurde angenommen. Bei diesen Abstimmungen konnte die Schenker-Winkler-Holding der Erbenfamilie nur 16 Prozent der Stimmen einsetzen.