Sie spekulieren darauf, dass Deutschland künftig mehr Gelder in Staaten wie Spanien oder Italien schiebt. Hintergrund ist die Bereitschaft von CDU, CSU und SPD, mehr Beiträge zum EU-Haushalt zu leisten. Die Risikoaufschläge für Anleihen der südlichen Länder sind in der vergangenen Woche bereits geschrumpft. Analysten erwarten, dass eine "Groko" und vor allem ein Finanzminister aus den Reihen der SPD die Nachfrage nach solchen Staatsanleihen weiter anheizt. "Das stärkt die Europa-Story und Anleger nehmen nun vermehrt andere Staatsanleihen als die sonst so beliebten Bundesanleihen in den Fokus", sagt Chris Bailey, Europa-Stratege bei der Investmentbank Raymond James.

Union und SPD widmen dem Thema Europa in ihrem mühsam ausgehandelten Koalitionsvertrag gleich fünf Seiten ganz am Anfang des Pamphlets. Auch die Formulierungen machen deutlich, dass sie einen stärkeren Fokus auf Europa legen wollen als frühere Regierungen. Die Parteien gehen auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu, indem sie ein neues Investitionsinstrument nur für die Euro-Zone andeuten.

Ausserdem erklären sie, Deutschland als ohnehin schon grösster EU-Nettozahler sei bereit, nach dem Austritt der Briten aus der Staatengemeinschaft mehr zu leisten. "Nach unserem Eindruck wandelt sich die Währungsunion weiter zu einer Transferunion", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Für die Peripherie-Staaten im Süden Europas senke das die Ausfallrisiken deutlich, fügt Volkswirt Oliver Rakau vom Oxford Economics Institut hinzu.

Besonders zugutekommen dürfte eine Groko nach Einschätzung von Experten den Staatsanleihen aus Italien, weil deren Renditen etwa im Vergleich zu Spanien viel höher sind. Der sich abzeichnende Wechsel in der deutschen Europa-Politik könne bei Anlegern die Sorgen vor den italienischen Parlamentswahlen am 4. März vertreiben, so die Commerzbank. Der Risikoaufschlag, der für die Italien-Titel im Vergleich zu den zehnjährigen spanischen Anleihen gezahlt werden muss, könne deshalb von derzeit 55 Punkten auf rund 30 Zähler fallen. Allerdings wird bei der Parlamentswahl in Italien mit einem Erfolg der Euro-skeptischen Parteien und langwierigen Koalitionsgesprächen gerechnet.

Griechenland an der kurzen Leine

Der bisherige CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble hat schuldengeplagten Ländern im Süden Europas einen harten Sparkurs verordnet. Im Gegenzug für finanzielle Hilfen setzte er Haushaltskürzungen und Reformen durch. In der heissen Phase der Griechenland-Krise war er nicht gegen einen Austritt der Hellenen aus der Euro-Zone. Damit stellte sich Schäuble auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Dass die SPD in einer neuen Regierung nun neben dem Aussenministerium auch das heiss begehrte Finanzministerium bekommen solle, zeige, dass Merkel dem ganzen Europa-Projekt einen neuen Schub verleihen wolle, erklärt Portfoliomanager Kaspar Hense vom Vermögensverwalter BlueRay Asset Management.

Anleihen-Experte Jens Oliver Niklasch von der Landesbank LBBW glaubt allerdings nicht, dass einer Verschiebung von Geldern gen Süden unter einem SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der zur Zeit besonders heiss gehandelt wird, dann Tor und Angel geöffnet wären. "Scholz ist kein klassischer linker Umverteiler." Ausserdem müsse jedes grössere Reformvorhaben in der EU am Ende von der Kanzlerin abgesegnet werden. "Ich erwarte nicht, dass jetzt der Marsch in die Transferunion beginnt."

Ausserdem ist in Berlin die Regierung noch nicht unter Dach und Fach. Die Mitglieder der SPD müssen noch über den Koalitionsvertrag abstimmen, das Ergebnis soll am 4. März vorliegen. Und in der Partei ist eine Groko nicht besonders beliebt. Umfragen zufolge lehnen die Deutschen insgesamt eine Neuauflage des Bündnisses ab.

(Reuters)