Am 12. März wird Insidern zufolge der Aufsichtsrat des Industriekonzern Thyssenkrupp  über einen Vorschlag des Vorstands zur Zukunft der Stahlsparte beraten. Dieser prüft drei Optionen: Einen Verkauf, einen Spin-Off und einen Weiterbetrieb in Eigenregie. Mit einem Verkauf würde der über 200 Jahre alte Ruhrkonzern seine Wurzeln kappen, denn Stahl ist seit der Gründung Kern des Geschäfts.

Mitte Oktober vergangenen Jahres legte der bis dahin hierzulande kaum bekannte britische Konzern Liberty Steel ein nicht bindendes Übernahmeangebot vor. Seither bemüht sich Unternehmensgründer Sanjeev Gupta um Unterstützung bei der Politik, dem Management und der IG Metall. Thyssen und Liberty würden den zweitgrössten Stahlkonzern Europas nach ArcelorMittal Europe schmieden. Sie könnten Synergien heben, Investitionen für Forschung und Entwicklung teilen und gegenüber Kunden und Lieferanten mit mehr Macht auftreten.

Der Preis ist heiss

Mit offenen Armen ist Gupta nicht empfangen worden. Vor der Entscheidung von Thyssenkrupp über einen Verkauf muss er noch eine bindende Offerte vorlegen. Unklar ist, ob er überhaupt etwas zahlen will, lasten auf der Stahlsparte doch Pensionsverpflichtungen von rund vier Milliarden Euro. Falls ja, könnte sich Thyssenkrupp von diesen Lasten mindestens teilweise befreien und von einem Geschäft, für das wegen seiner starken Konjunkturabhängigkeit Krisen alle paar Jahre fast normal sind.

Die mächtigen Arbeitnehmervertreter sind skeptisch. Herr Gupta glaube wohl, er könne Steel im Ein-Euro-Shop kaufen, hiess es früh im Arbeitnehmerlager. Der nordrhein-westfälische IG Metall-Bezirkschef-Chef Knut Giesler betonte in einem Reuters-Interview vergangene Woche: "Liberty hat eine Idee. Es ist aber unklar, wie diese finanziert werden soll." Es sei noch nicht bewiesen, dass es sich um ein nachhaltiges Konzept handle. Ein Spin-Off könne interessant sein, wenn er zur Absicherung des Gesamtkonzerns mit 95.000 Beschäftigung führe.

Es mag Verhandlungstaktik sein, aber die jüngsten Aussagen von Vorstandschefin Martina Merz und Finanzchef Klaus Keysberg machen deutlich, dass eine Einigung nicht unmittelbar bevorsteht. "Im Angebot gibt es zu einer Reihe komplexer Themen noch Klärungsbedarf", sagte Merz auf der Hauptversammlung Anfang des Monats. Keysberg legte bei der Vorlage der Quartalszahlen in dieser Woche nach.

Thyssenkrupp werde bei einer Übernahme der Stahlsparte dem Käufer bestimmt nicht finanziell unter die Arme greifen. Der Konzern könne auch in Eigenregie mit Stahl Werte schaffen. Denn die Stahlkonjunktur zieht wieder an, die Preise steigen. Thyssenkrupp Steel machte im ersten Quartal einen operativen Gewinn, wenn auch mit 20 Millionen Euro einen noch überschaubaren.

In Zukunft grüner Stahl

Als Alternative zum Verkauf gilt ein Spin-Off, bei dem der Konzern den Aktionären einen Teil ins Depot legt, einen Börsengang organisiert, und das restliche Paket in einem guten Moment versilbert. Zu den erfolgreichen Beispielen gehört etwa der Energiekonzern E.ON mit der Abspaltung seiner Kraftwerkstochter Uniper.

Thyssenkrupp könnte sich mit dem Börsengang einiger Verpflichtungen entledigen. Der Nachteil ist, dass ein Spin-Off nicht von heute auf morgen zu machen ist. Das könnte gut ein Jahr dauern, sagen Experten. Zudem kostet es eine Menge Geld und birgt Risiken - nicht nur durch Corona.

Abbau von 3000 Jobs

Einen Börsengang der Stahlsparte hatte der Konzern bereits im Jahr 2000 versucht und wegen mangelnder Erfolgsaussichten in letzter Minute abgeblasen. Um an der Börse gut bewertet zu werden, wären wahrscheinlich harte Restrukturierungen nötig. Stahlchef Bernhard Osburg sagt dazu: "Es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir daher auch über weitere Personal- und Kostenmassnahmen sprechen müssen, wenn wir nicht bisher Erreichtes und Vereinbartes gefährden wollen."

Geplant ist bereits der Abbau von 3000 Jobs. Auch ohne Spin-Off könnte der Konzern die Stahlsparte weiterentwickeln - insbesondere, wenn die Stahlkonjunktur weiter anziehe, sagen einige Stimmen im Konzern. Thyssenkrupp würde Zeit gewinnen, um später vielleicht wieder selbst zum Jäger statt zum Gejagten zu werden.

Thyssenkrupp hat sich zudem verpflichtet, die Produktion des Werkstoffs CO2-frei zu machen. Im "Grünen Stahl" sehen viele im Konzern ein Zukunftsgeschäft, das sie selbst gestalten wollen. Und vielleicht käme es dann doch noch zu einer Deutschen Stahl AG mit dem Konkurrenten Salzgitter

(Reuters)