Am Wochenende haben sich die sieben führenden Industrienationen (G7) auf ein Grundgerüst geeinigt. Herzstück ist eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent. Neu geregelt wird auch, dass Länder mit riesigen Verbrauchermärkten von besonders grossen und profitablen Konzernen einen grösseren Teil vom Steuerkuchen abbekommen sollen. Viele Detailfragen sind aber noch offen. In den nächsten Wochen dürfte sich zeigen, ob die G7-Einigung auf grösserer Bühne Bestand hat und in den nächsten Jahren für knapp 140 Länder verbindlich wird.

Es folgt ein Überblick mit den wichtigsten Fragen und Antworten:

Was wurde genau vereinbart?

Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro soll künftig eine effektive Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent gelten. Damit wurde erstmals eine konkrete Höhe vereinbart, die allerdings noch nicht in Stein gemeisselt ist. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte zuletzt, dies sei eine schlechte Nachricht für Steueroasen. Jede Regierung kann zwar weiterhin ihre eigenen Unternehmenssteuersätze festlegen. Zahlt ein Konzern im Ausland aber beispielsweise nur zehn Prozent, könnte das Heimatland des Unternehmens die Differenz zur Mindeststeuer verlangen.

Besonders grosse und profitable Unternehmen - mit einem Jahresumsatz von mindestens 20 Milliarden Euro und einer Ertragsmarge von zehn Prozent und mehr - sollen stärker als bisher in den sogenannten Marktstaaten Steuern abliefern. Das sind oft Schwellenländer, wo wegen der grossen Bevölkerungen etwa in China, Indien und Brasilien riesige Umsätze erzielt werden, die Gewinne daraus aber dann regelmässig in Niedrigsteuergebiete oder Steueroasen verschoben werden.

Wie viele Konzerne werden betroffen sein?

Bei der Mindeststeuer werden es Experten zufolge weltweit 7000 bis 8000 Firmen sein. Bei der Neuverteilung von Besteuerungsrechten soll die technisch komplizierte Regelung auf rund 100 Konzerne beschränkt werden.

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, schätzt, dass die Mindeststeuer in Deutschland einige Hundert Unternehmen betreffen wird. Steuerexperten gehen davon aus, dass es bei den Besteuerungsrechten knapp zehn Grosskonzerne sein werden.

Ab wann sollen die neuen Regeln gelten?

Angestrebt wird, noch in diesem Jahr eine politische Einigung auf grösserer Bühne hinzubekommen - im G20-Kreis der Industrie- und Schwellenländer sowie auf Ebene der Industriestaaten-Organisation OECD, die die Steuerreform für 139 Länder koordiniert. Entscheidend werden Sitzungen im Rahmen der OECD am 30. Juni und 1. Juli sowie das G20-Finanzministertreffen gut eine Woche später in Venedig. Dort sollen die Eckpfeiler endgültig beschlossen werden. An technischen Details wird danach weiter gearbeitet. Die Implementierung der neuen Regeln ist für 2022 geplant, erste Gelder sollen ab 2023 fliessen. Experten halten den Zeitplan für ambitioniert und verweisen darauf, dass er sich auch um ein Jahr nach hinten verschieben könnte.

Kann Deutschland mit Mehreinnahmen rechnen?

Ja, aber unklar ist, wie viel genau. Experten gehen davon aus, dass bei den Besteuerungsrechten Deutschland unter dem Strich nicht verlieren wird - vermutlich sogar leicht gewinnen wird. Die Mindeststeuer von 15 Prozent würde laut Berechnungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle, einem unabhängigen Analysehaus, Deutschland pro Jahr 5,7 Milliarden Euro zusätzlich einbringen. Dies gilt unter Steuerexperten als Untergrenze. Es könnten auch zehn bis 20 Milliarden Euro werden. Für die gesamte Europäische Union geht die EU-Steuerbeobachtungsstelle von fast 50 Milliarden Euro zusätzlich aus. Grösster Gewinner dürften aber die USA sein, weil heimische Konzerne wie Amazon, Apple und Google Steuersparmodelle im Ausland besonders aggressiv nutzen.

Wer muss jetzt noch überzeugt werden?

In erster Linie müssen die grossen Schwellenländer ins Boot geholt werden. Mexiko hat seine Zustimmung bereits signalisiert. Indien und Brasilien gelten nicht als Stolperstein, China aber schon. Mit der Volksrepublik könnte es vor allem bei der Mindestbesteuerung Probleme geben. Viele Konzerne aus China sind derzeit auf Einkaufstour im Ausland. Sie sind in vielen Fällen noch deutlich kleiner als US-Rivalen. Eine höhere Besteuerung könnte der Expansion zuwiderlaufen.

Wer sind die Verlierer der Neuregelung?

Glaubt man SPD-Kanzlerkandidat Scholz, sind es die Steueroasen. Das könnte vor allem die "Schatzinseln" aus dem früheren britischen Empire betreffen. Sie haben über die Jahre viele superreiche Chinesen, russische Oligarchen, Hedgefonds und eben auch weltweit tätige Konzerne angelockt. "Das ist ein Wendepunkt", sagt Alex Cobham vom Tax Justice Network, einer Lobbygruppe, die gegen Steuervermeidungspraktiken kämpft. Der Welt entgingen jedes Jahr 427 Milliarden Dollar wegen solcher Praktiken von Unternehmen und Individuen. 245 Milliarden Dollar entfielen dabei auf Konzerne, die Gewinne in Steueroasen verlegen. 29 Prozent davon gehen auf britische Überseegebiete zurück - ganz vorne die britischen Jungferninseln, die Bermuda-Inseln und die Kaiman-Inseln.

Besonders häufig werden Gewinne aus Patenten, Software oder Lizenzeinnahmen - die auf geistigem Eigentum basieren - dorthin verlagert. Neben klassischen Steueroasen locken in Europa aber auch Länder wie Irland, Luxemburg, Zypern, Malta und die Niederlande Konzerne mit niedrigen Steuersätzen.

Könnten bestimmte Konzerne durch das  Raster fallen?

Scholz hatte Reuters zuletzt gesagt, bei der Neuverteilung der Besteuerungsrechte sollen die grossen digitalen Plattform-Unternehmen erfasst werden - "und zwar alle und ausnahmslos". Problematisch ist dies aber bei Amazon, einem der grössten Gewinner der Corona-Krise. Der Konzern ist insgesamt nicht profitabel genug, um erfasst zu werden. Hier soll es daher eine Ausnahme für ganz wenige Unternehmen geben. Wenn einzelne Segmente für sich alleine über die Umsatzschwelle von 20 Milliarden kommen und auch oberhalb der Margenvorgabe von zehn Prozent liegen, werden diese separat erfasst. Das dürfte beispielsweise für das Plattformgeschäft von Amazon gelten, bei dem der US-Konzern nicht selbst als Händler auftritt, sondern seine Infrastruktur anderen Händlern zur Verfügung stellt - quasi als Dienstleister für Dritte. Dieser Bereich ist besonders profitabel.

Was sagen Konzerne zu der G7-Vereinbarung?

Deutschlands führender Technologiekonzern SAP will die G7-Vereinbarung noch nicht bewerten, weil viele Detailfragen noch offen seien. "Aus unserer Sicht ist es weiterhin von elementarer Bedeutung, dass Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen für die Unternehmen vermieden werden. Hierzu bedarf es effizienter Streitvermeidungs- beziehungsweise Streitbeilegungsprozesse, die von allen Staaten respektiert und befolgt werden." Volkswagen unterstützt die Pläne für eine Mindeststeuer von 15 Prozent: "Unsere Konzernsteuerquote liegt in der Regel deutlich darüber. Nach den bislang bekannten Eckpunkten müssen wir daher nicht von einer signifikanten Mehrbelastung ausgehen." Vertreter der grossen US-Internetfirmen hoffen, dass bei einer weltweiten Regelung nationale Digitalsteuern wegfallen oder entsprechende Pläne zurückgezogen werden. Dann könnten auch sie profitieren - zumindest teilweise.

(Reuters)