Plötzlich bewegte sich am Montag der Kurs der Alpiq-Aktie. Dümpelte er lange knapp über der 70-Franken-Marke, die als Übernahmeangebot im Raum steht, so zog er nun an. Erst auf 71.20 Franken, dann bis auf 72.80, was einem Plus von 3,3 Prozent entsprach. Kenner rieben sich die Augen, denn da war einer bereit, jeden Preis zu zahlen. Klar war nur, wer es nicht ist: das Konsortium der Kernaktionäre. Aus vertraglichen Gründen darf dieses nicht mehr als die 70 Franken aus dem öffentlichen Angebot zahlen.

Die Übernahme von Alpiq stellt sich als mühsamer heraus, als es sich die Kernaktionäre ursprünglich gedacht hatten. Im Frühling einigte sich das Konsortium um EOS, Primeo und weitere Stromfirmen darauf, die französische EDF aus Alpiq auszukaufen. Der Plan: Unter Beteiligung des Credit-Suisse-Fonds CSA sollten die Kleinaktionäre ausbezahlt und Alpiq von der Börse genommen werden. Wenn da nur nicht die Spielverderber wären.

Merion besitzt den halben Freefloat

Ein unerwarteter Akteur ist der amerikanische Hedgefonds Merion. Dieser war nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots eingestiegen und kaufte innert kürzester Zeit die Hälfte des Freefloats auf. Am 4. Oktober meldete Merion, 5,5 Prozent der Aktien zu besitzen. Viele Kleinaktionäre verkauften lieber an den Spekulanten und gefährdeten so die Strategie der Strombarone, bei Erreichen von 90 Prozent eine Abfindungsfusion (Squeeze-out) durchzuführen. Diese kommt einer Enteignung der Kleinaktionäre gleich.

Kurz sah es danach aus, dass die 90 Prozent geknackt würden. Stolz vermeldete das Konsortium, 93,51 Prozent der Aktien zu haben. Doch dann stellte sich das als Irrtum heraus. In Wahrheit hatte es nur 89,94 Prozent unter seiner Kontrolle. Ein Sturz kurz vor der Ziellinie. Schuld daran war Merion.

Nicht nur kaufte der Hedgefonds den Kernaktionären die entscheidenden Aktien weg, auch verursachten die Amerikaner wohl die Falschmeldung, wie Recherchen zeigen. Laut Alpiq löste die Meldung einer Bank "eines Aktionärs" den zu hohen Wert aus. Kein anderer Aktionär hatte zu der Zeit genug Aktien, um eine Differenz von 3,5 Prozent zu erklären. Offenbar hatte eine von Merions Banken die Aktien versehentlich als "angedient" gemeldet.

Hat Merion weiter zugekauft? Dafür spricht, dass die sonderbaren Käufe zum Wochenbeginn immer erst nach 13 Uhr Zürcher Zeit stattfanden. Vorher schlafen die Händler in Florida wohl noch. Für den Hedgefonds ist Alpiq eine grosse Wette. Einer Eigendeklaration zufolge verwaltet Merion 890 Millionen Dollar. Die 5,5 Prozent an Alpiq haben einen Wert von 110 Millionen. Bisher hat sich Merion nicht zu seiner Strategie geäussert.

Offenbar tun es die Amerikaner aber dem Hedgefonds Knight Vinke gleich, der darauf hofft, auf dem juristischen Weg mehr als 70 Franken herauszuholen. Knight Vinke legte im August eine Beteiligung von 1,3 Prozent offen.

Andrew Barroway, Gründer und Managing Partner von Merion, hat Erfahrung mit dem Rechtsweg. 2007 erzielte er mit seiner Kanzlei Schiffrin Barroway Topaz & Kessler ein wegweisendes Urteil gegen die Firma Tyco, die wegen betrügerischer Machenschaften ihrer Manager aufgefallen war. Die Richter sprachen den Investoren einen Schadenersatz von 3,1 Milliarden Dollar zu. Kurz danach gründete Barroway die Firma Merion, die heute mehrere Event-Driven-Hedgefonds betreibt.

Alpiq will Merion aushungern

Doch noch fehlt der Anlass für eine Klage. Ohne Squeeze-out fehlt der Zwang, die Aktien an das Konsortium verkaufen zu müssen. Bis auf weiteres steht es Anlegern frei, ihre Aktien anzudienen. Oder eben nicht. Daher verfolgen die Kernaktionäre nun offenbar die Strategie, die Spekulanten auszuhungern. Sollen sie doch bleiben, lautet die Devise. Doch die Aktie kommt von der Börse und Dividenden soll es bis auf weiteres auch keine geben. Fraglich ist nur, wer da zuerst sauer wird. Denn auch die Kernaktionäre von Alpiq verzichten nur widerwillig auf Ausschüttungen.

Jahrelang lebten Regionalmonopolisten wie EOS, Primeo und EBL gut von Alpiqs Dividenden. Auch die hinter dem CS-Fonds stehenden institutionellen Anleger dürften sich kaum über einen Cashflow-Verzicht freuen. Und so bleibt die Übernahme eine Hängepartie. Erklärtes Ziel ist eine Aktionärsstruktur, bei der EOS, CSA und die restlichen Stromfirmen dereinst je einen Drittel der Aktien halten. Doch noch ist CSA nur indirekt beteiligt, "ihre" Anteile liegen bei EBM und EOS.

Gespannt warten daher alle auf den nächsten Schritt. Wer auch immer diesen macht.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Handelszeitung unter dem Titel "Was will ein Hedge-Fund aus Florida jetzt noch mit Alpiq?".

Michael Heim Handelszeitung
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