Jetzt tauchen auch an der Wall Street neue Anzeichen für eine Überlegenheit der Roboter auf - und zwar in Form von maschinellen Aktienanalysten, die profitablere Anlageentscheidungen als Menschen treffen. Das zumindest ist das Fazit einer der ersten Studien zu dem Thema, deren vorläufige Ergebnisse im Januar veröffentlicht wurden.

Robo-Analysten, die vermeintlich imitieren, was traditionelle Aktienanalyse-Abteilungen tun, sind auf lange Sicht nicht nur schneller und kostengünstiger als ihre Kollegen aus Fleisch und Blut. Auch sind sie mit ihren Empfehlungen erfolgreicher, sagen Professoren der Indiana University.

Bessere Arbeit?

"Es wird zunehmend wichtiger werden, diese Art von Technologie zu nutzen, um Anlageempfehlungen auszusprechen oder Anlageanalyse zu betreiben", sagte Kenneth Merkley, Privatdozent für Rechnungswesen und einer der Autoren der Studie, am Telefon.

Ob es eine wichtige Aufgabe menschlicher Analysten ist, Aktienentwicklungen richtig vorherzusagen, ist umstritten. Die Analyseabteilungen der Wall Street erfüllen eine Vielzahl von Funktionen, darunter die Verbindung von Investoren mit Führungskräften des Unternehmens sowie die Erfassung von Erträgen und anderen Unternehmensdaten. Während ihre Kauf-, Verkaufs- und Halteempfehlungen immer noch Aufmerksamkeit erregen und Aktien bewegen können, ist die Anzahl der Kunden, die Investmententscheidungen danach treffen, wahrscheinlich begrenzt.

Die Studie untersuchte eine kleine und noch weitgehend experimentelle Branche von Fintech-Unternehmen, die davon ausgehen, dass die digitale Technologie bei Aktienempfehlungen bessere Arbeit leistet als der Mensch. Zwar nutzen alle Analysten Computer. Aber eine Handvoll von Startups hat untersucht, ob Programme jeden Aspekt des Aktienauswahlprozesses bewältigen können.

Robo-Analysten

Eine dieser Firmen, New Constructs, nutzt Robo-Analysten, um alles Mögliche, von Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen bis hin zu Fussnoten am Ende der Berichte abzugleichen, und dann Aktienempfehlungen auszusprechen, sagt Chief Executive Officer David Trainer. Die Daten von New Constructs gingen in die Studie ein.

"Wir kümmern uns nicht um Stimmungen, und auch nicht um Dynamik, wir machen nicht das, was ich als sexy, kurzfristige Metriken bezeichnen würde", sagte Trainer in einem Telefoninterview. "Wir können gute, altmodische analytische Sorgfalt zu geringen oder keinerlei Kosten in ihre Arbeitsabläufe bringen."

Die Kunden von Trainer - unter anderem Quant-Fonds, Beratungsgesellschaften und Vermögensverwalter - können Zugang zu den Diensten für etwa 10 bis 15'000 Dollar erwerben, abhängig von der Art des Research.

Vergleich Roboter-Mensch

Die Studie der Indiana University analysierte mehr als 76'000 Berichte aus einem Zeitraum von 2003 bis 2018 von sieben verschiedenen Robo-Analysten-Unternehmen. Sie kam unter anderem auch zu dem Ergebnis, dass automatisierte Dienste tendenziell mehr Verkaufsempfehlungen (im Gegensatz zu den Anlageurteilen Halten und Kaufen) abgeben als traditionelle Unternehmen. Sie überarbeiten ihre Berichte auch häufiger und sind möglicherweise besser in der Lage, grosse und komplexe Unternehmensbekanntmachungen, einschliesslich Mitteilungen an die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC), zu berücksichtigen.

Die Autoren verglichen die Empfehlungen der Robo-Analysten mit denen der traditionellen Analysten, deren Schätzungen in das Institutional Brokers‘ Estimate System eingehen. In ihrer Langzeitanalyse haben sie Empfehlungen mit dem Urteil Halten nicht berücksichtigt, da diese laut Merkley weniger gut umsetzbar sind.

Da Robo-Analysten nicht voreingenommen sind und keinen Interessenkonflikten ausgesetzt sind, erreichen sie einen ausgewogeneren Empfehlungs-Mix, so die Autoren, zu denen auch Braiden Coleman und Joseph Pacelli gehörten. Während traditionelle Analysten aktiv an der Pflege der Beziehungen mit der Unternehmensleitung arbeiten, sind Roboter nicht denselben Konventionen verpflichtet. Ihre Empfehlungen mögen zunächst nicht so populär sein wie die von Menschen, aber die Empfehlungen können "erhebliche Erträge für einzelne Anleger" generieren, sagten sie.

Mehr Verkaufs-Empfehlungen

Neben New Constructs analysierten die Wissenschaftler Empfehlungen von Unternehmen wie Minkabu, Rapid Ratings und TheStreet.com, die sich mit denen traditioneller Analysten überschnitten.

Von der Gesamtzahl der Empfehlungen von Robo-Analysten waren mehr als 30 Prozent Kaufempfehlungen im Vergleich zu 47 Prozent bei traditionellen Analysten (die Gesamtzahl der bestehenden Empfehlungen von traditionellen Analysten war fünfmal so hoch wie die von Robotern). Etwa ein Viertel der Empfehlungen der Maschinen fiel in die Kategorie Verkaufen, verglichen mit 6 Prozent bei Menschen.

Traditionelle Analysten stehen in jüngster Zeit unter Druck. Maschinen erledigen einen grösseren Teil der Arbeit, während Investoren zunehmend in passive Fonds strömen. In den nächsten zehn Jahren könnte die Automatisierung die Beschäftigtenzahlen an der Wall Street und im Bankensektor um etwa 200'000 reduzieren, schätzt Wells Fargo Securities.

Budgets eingeschränkt

"Es ist erkennbar, dass die Analyse-Budgets der Banken eingeschränkt werden und auf der Sell-Side der Wert der Aktienanalyse überprüft wird - für uns ist diese Branche reif für Veränderungen", sagte Merkley. "Technologie ist eine dieser Veränderungen, weil durch sie Aufgaben wahrscheinlich zu geringeren Kosten und in grösserem Massstab erledigt werden können."

Skepsis herrscht indes an der Wall Street. Robo-Gegner argumentieren, dass Maschinen nicht in der Lage seien, die feinen Nuancen in Diskussionen in Telefonkonferenzen zu verstehen oder Gespräche mit der Unternehmensleitung zu führen. David Trainer von New Constructs hält dagegen, dass das Gegenteil der Fall sei: Roboter könnten riesige Datenmengen, einschliesslich Abschriften von Gesprächen, in viel schnellerem Tempo analysieren.

Doch "solange es noch Leute gibt, die menschliche Interaktion brauchen, die mit dem Management über die Branche sprechen wollen, und diese Funktion für die Buy-Side ausüben, wird die Sell-Side noch da sein", sagte Merkley.

(Bloomberg)