"Kreeeeeiiiiiisch! K-Pop an der Börse." So titelte unlängst das deutsche "Capital" einen Artikel zum Initial Public Offering (IPO) des südkoreanischen Musiklabels Big Hit Entertainment. Das Gekreische gilt nicht dem Label selber, sondern deren Aushängeschild und Zugpferd BTS, der Boyband aus Seoul.

Diese ist, wie vorab die Junggeneration weiss, nicht irgendwer: Die Band füllte bei ihrer Welttournee 2019 das Londoner Wembley Stadion gleich zweimal. Und mit ihren Songs "Dynamite" und "Savage Love" kletterten die sieben Boys von BTS im Spätsommer gar an die Spitze der US-Charts.

BTS sind Vertreter des K-Pop, einem Oberbegriff für südkoreanische Popmusik, die sich bereits in den 1990er Jahren im Land mit seinen rund 52 Millionen Einwohnern etablierte. Ausser dem Musiker Psy, der im Jahr 2012 mit dem Song "Gangnam Style" einen Megahit landete,  gelang aber kaum einer koreanischen Band der internationale Durchbruch. Bis BTS.

Gross war daher auch die Aufregung selbst unter Investoren, als Big Hit Entertainment (oder: Big Hit) Mitte Oktober an die Börse in Seoul ging: Mal kein IPO einer schmierigen Ölfirma, kein Börsengang eines komplizierten Biotech-Unternehmens oder einer intransparenten Softwarebude. Nein, quasi eine Boyband als Aktie. Der Hype  - kreisch! - wurde so gross, dass das IPO von Big Hit zum grössten Börsengang Südkoreas seit drei Jahren wurde. Die Aktie wurde über tausenfach überzeichnet, am Ende des ersten Handelstages hatte sich der Aktienkurs fast verdoppelt. Das erhöhte den Reichtum von Big-Hit-Gründer Bang Si-Hyuk auf umgerechnet 2,8 Milliarden Dollar, einem dem höchsten in Südkorea.

Doch die Schnappatmung der Investoren, darunter viele Fans, wich bald einer nicht untypischen Post-IPO-Depression nach gepushten Börsengängen: Der Kurs fiel von 258'000 Won (212 Franken) am Ende des ersten Börsentages am 15. Oktober bis auf 142'000 Won am 30. Oktober - also fast eine Halbierung des Aktienpreises in zwei Wochen und eine Fast-Annäherung zum Ausgabepreis von 135'000 Won.

Den Investoren wurden plötzlich zwei Gefahren so richtig gewahr: Dass BTS etwa 90 Prozent des Umsatzes von Big Hit ausmacht und damit ein gewaltiges Klumpenrisiko darstellt. Und dass die Mitglieder der Band in den nächsten Jahren gestaffelt und unausweichlich zwei Jahre Militärdienst in ihrem Land leisten müssen. Dass dann noch eine grosse Menge Aktien nach einer Haltefrist auf den Markt kamen, sorgte für zusätzliche Verunsicherung.

Riesige Unterhaltungsindustrie in Südkorea

Allerdings sollte man die Aktie von Big Hit nicht zu früh abschreiben. Das Unternehmen mit seinen bloss 297 Vollzeitangestellten hat sich in der Vergangenheit als wandlungsfähig und äusserst innovativ erwiesen. Um die Band BTS wurde ein digitales Cluster mit Games, Webtoons (digitale Comics) oder der App WeVerse eine grosse Kommerzmaschine mit hoher Fan-Loyalität gebaut.

Dazu tummelt sich Big Hit in einem Umfeld, deren Grössenordnung hierzulande kaum bekannt ist. Die Unterhaltungsindustrie Südkoreas ist riesig und hat enormen Einfluss im asiatischen Markt. SM Entertainment, YG Entertainment oder JYP Entertainment zum Beispiel sind K-Pop-Konkurrenten von Big Hit, sie sind ebenfalls börsenkotiert und nur ein Teil des grossen südkoreanischen Unterhaltungskuchens. Musik, Filme, Games - Südkorea wird oft als Popkulturfabrik Asiens bezeichnet mit zunehmend weltweiter Strahlkraft.

New Deal - «Content-Industrie in Korea hat sehr hohes Wachstumspotenzial»

Dieses Umfeld wird ohne Zweifel auch von der staatlichen Förderung für die jetzt schon weit fortgeschrittene Digitalisierung Südkoreas in der Nach-Covid-Ära profitieren. Als Reaktion auf die Pandemie will Korea nämlich bis 2025 eine Summe von 136 Milliarden Dollar für den Digital- und Umweltsektor ausgeben, den so genannten "New Deal".

"Die Content-Industrie in Korea ist sehr vielversprechend, in Kombination mit der Digitalindustrie hat sie sehr hohes Wachstumspotenzial. Und eine der Stärken von Korea sind K-Pop und K-Webtoon", sagte Sanggoog Lee, Direktor von "Digital New Deal" des koranischen Ministeriums für Wissenschaft und Technologie, kürzlich an einer Medienkonferenz von Invest Korea Week 2020 in Seoul. Er sagte dies auf die Frage, wer unter anderem vom "New Deal" profitieren werde. 

Die Aktie von Big Hit hat sich an der Börse in Seoul auch wieder erholt. Sie steht derzeit auf rund 180'000 Won und damit auf einem Vier-Wochen-Hoch. Geholfen haben sicher auch die Analysten, die sich geradezu als BTS-Groupies gebärden: Alle neun Analysten, die den Titel abdecken, haben ein "Kaufen"-Rating auf der Aktie. Zuletzt erhöhte JPMorgan am Dienstag das Rating und setzte das Kursziel auf 230'000 Won, was einem Aufwärtspotenzial von fast 30 Prozent entspricht. Billig ist die Big-Hit-Aktie nicht, sie hat ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 60. Aber wer ein echter Fan ist, nimmt auch so etwas in Kauf.

Aktienkurs von Big Hit Entertainment vom IPO am 15. Oktober 2020 bis heute (Quelle: Bloomberg)

Neue Single von BTS ("Life goes on"):