Die Ankündigung der von JPMorgan finanzierten 4-Milliarden-Euro-Abspaltung führte zum Aufschrei bei Fans, Politikern und dem Dachverband des europäischen Fussballs. Als Reaktion prüft die UEFA derzeit einen womöglich sechs Milliarden Euro schweren Finanzierungsvorschlag des Vermögensverwalters Centricus für eine überarbeitete Champions League, so mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Die Konfrontation spiegelt die Entwicklung des weltweit beliebtesten Sports in ein globales Geschäft wider, aber auch die neuen finanziellen Realitäten, ausgelöst durch die Pandemie. Unter der Führung von Topvereinen aus England, Italien und Spanien versuchen Teams mit einer riesigen Fangemeinde und teils ebenso grossen Schulden, mehr Geld für Übertragungsrechte zu bekommen, nachdem sie seit einem Jahr in zumeist leeren Stadien spielen müssen.

Nettoschulden von mehr als 100 Millionen Euro

Von den Teams, die bisher der von JPMorgan unterstützten Super League beigetreten sind, haben die meisten in der vergangenen Saison rote Zahlen geschrieben und mindestens acht von ihnen haben Nettoschulden von mehr als 100 Millionen Euro, wie Zahlen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zeigen.

Was als nächstes kommt, ist wahrscheinlich Taktieren mit sehr hohen Einsätzen. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin sagte, mit dem Vorschlag hätten die Abtrünnigen den Fussballfans “ins Gesicht gespuckt”. Seine Organisation werde alle nötigen Massnahmen ergreifen - von rechtlichen Schritten bis zum Ausschluss von Mannschaften und Spielern von internationalen Turnieren.

Die Aussicht auf Vorschüsse für verschuldete Vereine könnte den Unterschied machen, so Kieran Maguire, Dozent für Fussballfinanzierung an der Liverpool University. “Schlechtes Finanzmanagement einiger europäischer Clubs zwingt diese, Finanzmittel zu generieren, um ihre Schuldensituation zu verbessern”, so Maguire. “Die Vereine werden ihr Ziel entweder mit Hilfe dieses neuen Wettbewerbs erreichen oder aus der UEFA weitere Einnahmen und Sicherheiten herausholen.”

Erstes Paket von rund 4,2 Milliarden Euro

Der Vermögensverwalter Centricus spricht informierten Kreisen zufolge seit Monaten mit der UEFA über eine mögliche Finanzierung. Zunächst sei es um ein erstes Paket von rund 4,2 Milliarden Euro gegangen, das nach dem Vorschlag für die Super League aufgestockt wurde. Die Verhandlungen dauerten an und es sei nicht sicher, ob eine entsprechende Transaktion zustande kommt.

Ein Vertreter von Centricus lehnte eine Stellungnahme ab, während ein Sprecher der UEFA nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme antwortete. Die UEFA veranstaltet ihren Jahreskongress am Dienstag.

Die UEFA plant, die Champions League auf 36 Mannschaften zu erweitern von bislang 32 und damit auch die Anzahl der Spiele zu erhöhen. Das hat einige Teams verärgert, die sich über die hohe Belastung aus den vielen Spielen sorgen und gleichzeitig monieren, es gebe zu wenige Topspiele.

Nach dem Plan für die Superliga würden die grössten Vereine wie Manchester United und Real Madrid ab August einen eigenen Wettbewerb starten. Sechs Teams aus England, drei aus Italien und drei aus Spanien haben sich bisher angemeldet. 15 Teams sollen ständig dabei sein und jedes Jahr würden sich fünf weitere qualifizieren.

Nicht Teil des Plans

Vereine aus Frankreich und Deutschland sind bislang nicht Teil des Plans. Paris Saint-Germain, mit Superstars Neymar und Kylian Mbappe derzeit qualifiziert für das Halbfinale des diesjährigen Turniers, wird sich womöglich noch heute offiziell hinter die UEFA stellen, so mit der Diskussion vertraute Personen. Die katarischen Eigentümer von PSG haben eine enge Verbindung zur UEFA und das Emirat ist Gastgeber der Weltmeisterschaft 2022.

Vorjahressieger Bayern München und Dortmund, was die heute “Henkelpott” genannte Trophäe 1997 gewonnen hatte, sprachen sich bereits gestern gegen die neue Liga aus, genau wie RB Leipzig, das zusammen mit Bayern, PSG und Lyon zuletzt ein rein deutsch-französisches Halbfinale mit bestritten hatte. Ohne französische und deutsche Beteiligung wäre die Attraktivität des neu vorgeschlagenen Wettbewerbs deutlich geringer.

“Falls es dazu kommen sollte, möchten wir erneut darauf hinweisen, dass wir und alle unsere Mitgliedsverbände einig sind bei unseren Bemühungen, dieses zynische Projekt zu stoppen”, sagte die UEFA auf ihrer Website, bevor die Super League am frühen Montag angekündigt wurde.

FIFA und IOC stellen sich hinter UEFA

FIFA-Präsident Gianni Infantino und IOC-Chef Thomas Bach stellten sich am Dienstag auf die Seite der UEFA. Bach sagte, die "Super League" stelle die Grundsätze des Sports infrage, wie sie in Europa üblich seien. "Das europäische Modell (...) wird herausgefordert durch einen rein gewinnorienterten Ansatz, der die sozialen Werte des Sports und die echten Notwendigkeiten in der Nach-Corona-Welt ignoriert". Infantino sagte, die zwölf abtrünnigen Vereine müssten sich entscheiden und dann die Konsequenzen tragen: "Entweder, man ist drin, oder man ist draussen."

Der Präsident des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), Fritz Keller, forderte, die zwölf Vereine aus allen Wettbewerben der UEFA auszuschliessen, "bis sie wieder an ihre vielen Anhänger denken, die sie erst zu den grössten Klubs der Welt gemacht haben - und nicht nur an ihre Geldbeutel". Die UEFA hat bisher offengelassen,ob sie die zwölf Vereine aus den laufenden Wettbewerben ausschliessen will. Sie stellen drei der vier Halbfinalisten in der Champions League und zwei der vier verbliebenen Vereine in der Europa League. UEFA-Chef Ceferin wandte sich speziell an die Eigentümer der sechs englischen Klubs, die die "Super League" mitgründen wollen: "Korrigieren Sie ihren Fehler. Kehren Sie um, kommen Sie zur Besinnung. Nicht aus Liebe zum Fussball - weil ich glaube, dass Sie davon nicht viel haben (...) Tun Sie es für die Engländer, für die Heimat des Fussballs." Noch sei Zeit dafür.

Die Liga der Rebellen trifft auf eine breite Opposition, vom britischen Premierministers Boris Johnson bis zum französischer Präsident Emmanuel Macron. Das Hashtag #SayNoToEuropeanSuperLeague war vielbenutzt auf Twitter.

Bei dem Tauziehen geht es um nichts weniger als die Identität des Fussballs im 21. Jahrhundert. Führende Clubs mit einer reichen Historie haben sich in den letzten Jahrzehnten dem Kapitalismus zugewandt, durch Verträge mit Bezahlsendern und oft ausländischen Eigentümern, die ihre Anteile bisweilen per Schulden finanzieren. Die Fans an der Basis monieren derweil teils wütend, das Erlebnis Fussball sei für die kaum mehr erschwinglich.

Das nun präsentierte Konzept der Ausreisser gibt es seit Jahren. Es basiert auf Vorschlägen zur Reform der britischen Premier League, die lukrativste in Europa, die den Top-Vereinen mehr Gewicht geben würde und erstmals letztes Jahr unter anderem von den milliardenschweren amerikanischen Eigentümern von Manchester United und Liverpool vorgestellt wurden.

Eine neue europäische Liga

Die Bemühungen, eine neue europäische Liga aufzubauen, haben sich durch die Pandemie verstärkt. Sinkenden Spieltagseinnahmen sind mit dafür verantwortlich, dass die Top 20 Clubs insgesamt etwa 2 Milliarden Euro verloren haben, so Zahlen von Deloitte.

Italiens Serie A lud Private-Equity-Firmen ein, Angebote für eine Beteiligung an ihren Medienrechten abzugeben - ohne Erfolg. Die Bundesliga plant eine ähnliche Auktion für entsprechende Rechte im Ausland.

Anfang dieses Jahres wurde klarer, dass JPMorgan das neue Projekt finanziell unterstützen würde und wer die ständigen Mitglieder sein würden.

“Covid hat den Clubs einen hilfreichen Vorwand beschert und die Möglichkeit geschaffen, diesen Vorschlag durchzusetzen mit der Argumentation, dass sie die durch die Pandemie verursachten finanziellen Probleme beseitigen müssen”, sagte Maguire von der Liverpool University.

Europapokal der Landesmeister

Die Idee, dass die grössten und erfolgreichsten Vereine des europäischen Fussballs gegeneinander antreten sollten, führte zur Gründung des Europapokals der Landesmeister im Jahr 1955.

An dem Turnier nahmen bis in die 1990er Jahre nur die Meister der nationalen Ligen sowie der Vorjahressieger teil. Zu den Gewinnern über die Jahre gehörten nicht nur die grössten Vereine wie Real Madrid, Barcelona, der AC Mailand und Juventus, sondern auch kleinere Teams wie Roter Stern Belgrad, Nottingham Forest und Feyenoord Rotterdam. Die Champions League mit mehr Team stellte dann bereits effektiv sicher, dass die grossen Vereine länger im Wettbewerb verblieben.

Befürworter der Superliga argumentieren, ein solches Turnier wäre spannender, da die besten Teams häufiger gegeneinander spielen würden. Es wäre für selbige auch lukrativ, da eine dauerhafte Mitgliedschaft die Unsicherheit der Qualifikation nach einer schlechten Saison beseitigen würde.

“Wir werden den Fussball auf allen Ebenen unterstützen und ihn zu seinem rechtmässigen Platz in der Welt verhelfen”, sagte Real Madrid-Präsident Florentino Perez, der erste Vorsitzende der Super League. “Fussball ist der einzige Sport auf der Welt mit mehr als vier Milliarden Fans. Als grosse Vereine sind wir dafür verantwortlich, auf deren Wünsche einzugehen.”

(Bloomberg / Reuters)