Aber der SAP-Chef hat ehrgeizige Pläne, eine Wende herbeizuführen. Diese hängt davon ab, dass die Kunden eine Reihe neuer Cloud-basierter Produkte akzeptieren, deren Vertrieb und Wartung schneller und kostengünstiger sind. Ziel ist es, Europas grösstes Softwareunternehmen mit einer Generation wendiger Konkurrenten wie Salesforce.com auf eine Stufe zu bringen. Er muss auch mitten in einem wirtschaftlichen Einbruch die Unterstützung der Anleger für das teure Programm gewinnen.

"Wenn ich einen Wunsch für 2021 hätte, wäre dies, dass wir ein Jahr haben, in dem wir unsere Strategie konsequent umsetzen und unter Beweis stellen können, dass sie richtig ist", sagte Klein in einem Bloomberg-Interview. Anwender von älteren Produkten zu entwöhnen birgt gewisse Risiken. SAP arbeitet mit grossen Unternehmen zusammen, die eine geringe Toleranz für Störungen haben. Und die Umstellung führt zu Gewinneinbussen, da grosse Vorauszahlungen durch kleinere Abonnementraten abgelöst werden. Obwohl Klein wusste, dass die Entscheidung nicht unbedingt Applaus von Investoren erhalten würde, unterstützten sie diese zunächst, berichtete er.

Aber die Umsetzung der Strategie begann zu einem Zeitpunkt, als die Kunden ihre Softwarekäufe radikal reduzierten, da sie mit den Folgen der Covid-19-Pandemie zu kämpfen hatten. In einer ausserplanmässigen Mitteilung an einem Sonntagabend im Oktober senkte SAP den Umsatzausblick und kündigte an, dass Wachstum und Margenverbesserung für die nächsten zwei Jahre begrenzt sein würden. Am darauffolgenden Tag brach der Aktienkurs um 22 Prozent ein, was den Marktwert um mehr als 30 Milliarden Euro schmälerte. Anzeichen für Erfolge bei der Kunden-Migration in die Cloud lieferte indes ein Lagebericht vom Januar. Allerdings warnte das Unternehmen, dass die Pandemie den Umsatz weiter beeinträchtigen werde.

Der 40-jährige Klein hat sein gesamtes Berufsleben bei der Walldorfer Software-Schmiede verbracht, nachdem er 1999 als Student dort angefangen hatte. Im ersten Monat des neuen Jahres drückte er aufs Tempo. Das Unternehmen kündigte hochkarätige Änderungen im Management an. So berief es Julia White, die fast 20 Jahre bei Microsoft verbracht hatte, zur Marketingchefin.

Das Unternehmen hat auch seine Partnerschaft mit Microsoft erweitert und wird einige seiner Produkte integrieren; so wird Teams zur SAP-Software hinzugefügt. Und SAP plant, bis zu 1,28 Milliarden Dollar mit der Notierung einer Beteiligung an der Tochtergesellschaft Qualtrics International Inc. einzunehmen.

Sind die Investoren dabei?

Jedoch muss Klein die Investoren davon überzeugen, sich inmitten einer Pandemie, die den Kunden weiterhin zu schaffen macht, auf einen Übergang einzulassen, der letztendlich Jahre dauern könnte.

AXA Investment Manager, das seit 20 Jahren an SAP beteiligt ist, reduzierte im November die Beteiligung seiner europäischen Fonds an dem Unternehmen um ein Drittel, "angesichts der Tatsache, dass wir kurzfristig etwas an Dynamik verloren haben", sagte Portfolio-Manager Gilles Guibout. Zwar stimmt er zu, dass ein schnellerer Wechsel zur Cloud erforderlich ist. Allerdings bedeute die Kurskorrektur von SAP wahrscheinlich, dass das Unternehmen für die nächsten drei Jahre "überinvestieren" müsse, sagte er.

SAP-Mitgründer Hasso Plattner, der als Aufsichtsratsvorsitzender und grösster Aktionär dem Unternehmen verbunden bleibt, unterstützte Klein, nachdem die Aktien im Oktober gefallen waren. Als Vertrauensvotum erwarb er weitere Aktien im Volumen von 249 Millionen Euro.

"Wenn einer der grössten Aktionäre mehr Aktien kauft, so gibt mir das Vertrauen", sagte Klein. "Ich habe dieses Feedback vom gesamten Aufsichtsrat erhalten."

Es war nicht das erste Mal, dass Plattner sich auf Kleins Seite stellte. Klein hatte sich zunächst die CEO-Rolle mit Jennifer Morgan in den USA geteilt. Die beiden wurden als sich gegenseitig ergänzend angesehen. Aber die Pandemie hat diese Konstellation belastet, da verschiedene Zeitzonen und Perspektiven die Entscheidungsfindung verlangsamten und zu Zusammenstössen führten.

Klein erhielt die Nachricht, dass der Aufsichtsrat Morgan abgesetzt hatte am 20. April. Am selben Tag wurde sein zweites Kind geboren. Plattner sagte den Mitarbeitern damals in einem Memo, dass es wichtig sei, dass ein einziger Vorstandsvorsitzender das Unternehmen durch diese beispiellose Veränderung führe.

McDermott-Erbe belastet

Klein muss sich nun auch alleine mit dem Erbe seines Vorgängers Bill McDermott auseinandersetzen.

Damit Kleins Plan funktioniert, muss SAP in der Lage sein, den Kunden eine Reihe von Produkten anzubieten, die reibungslos zusammenarbeiten. McDermott kaufte jedoch gern neue Technologien ein und hat während seiner etwa zehnjährigen Amtszeit mehr als 30 Milliarden Dollar für Akquisitionen ausgegeben, zeigen von Bloomberg zusammengestellte Daten. Die Einkaufstour führte zu einem Sammelsurium an Unternehmen, die möglicherweise zur Modernisierung der SAP-Produktpalette beigetragen haben, aber nicht unbedingt gut integriert waren.

McDermotts Strategie zeigte gemischte Ergebnisse und SAP zog die Aufmerksamkeit des berüchtigten Aktivisten Elliott Management auf sich, der eine Beteiligung aufbaute und das Unternehmen aufforderte, sich auf Gewinn und Aktienkurs zu konzentrieren. Das Unternehmen kündigte 2019 Änderungen an, die den Investor beruhigten. Allerdings trat McDermott Monate später zurück und sagte, dass ein Jahrzehnt eine lange Zeit sei, um CEO zu sein.Der Börsengang von Qualtrics im Laufe dieses Jahres wird einen entscheidenden Bruch mit der Vergangenheit darstellen, da das Unternehmen eine Beteiligung an McDermotts grösstem Deal verkauft. Das US-Geschäft, das Software für die Durchführung von Kundenumfragen herstellt, kostete SAP vor etwa zwei Jahren 8 Milliarden Dollar.

Das Jahr 2021 wird für SAP von entscheidender Bedeutung sein. Der fast ein halbes Jahrhundert alte deutsche Software-Riese muss Investoren und Kunden beweisen, dass er Fehlentscheidungen hinter sich lassen kann, um mit seinen grösseren US-Konkurrenten mithalten zu können.

"SAP befindet sich derzeit wirklich an einem Wendepunkt, da es unserer Meinung nach diese einmalige Verwundbarkeit gibt", sagte Julie Bhusal Sharma, Analystin bei Morningstar. "Er muss dafür sorgen, dass diese Migration für den bestehenden Kundenstamm zu einem viel reibungsloseren Prozess wird. Ich denke, dass sie bisher für zu viel Verstimmung gesorgt haben."

(Bloomberg)