Verstösse gegen geschäftliche oder ethische Verhaltensregeln haben allein im vergangenen Jahr Insidern zufolge mehr als 100 Airbus-Mitarbeitern den Arbeitsplatz gekostet. Der europäische Flugzeugbauer versucht nach einem Korruptions-Skandal mit einem konsequenten Durchgreifen das Vertrauen der Genehmigungsbehörden und Strafverfolger wiederzugewinnen.

300 Mitarbeiter wurden demnach abgemahnt, weil sie gegen die Compliance-Richtlinien verstossen haben. Selbst Airbus-Chef Tom Enders gehört zu den Leidtragenden: Er muss sein Amt an diesem Mittwoch auf der Hauptversammlung in Amsterdam nach sieben Jahren abgeben - weil die Behörden auch Konsequenzen an der Spitze des französisch-deutschen Konzerns forderten.

"Das ist nicht immer fair, aber das ist das Leben", sagte Enders Ende März in München. "Ich habe das selber sehr bewusst losgetreten. Dazu gab es nicht wirklich eine Alternative." Vor fünf Jahren hatte Airbus Zahlungen an Mittelsmänner gestoppt, die beim Verkauf von Flugzeugen jahrelang die Hand aufgehalten hatten. Die Behörden in Frankreich und Grossbritannien ermitteln immer noch. "Meine Aufgabe war, die Compliance zu verstärken und das Unternehmens-Schiff in dieser schwierigen Phase einigermassen auf Kurs zu halten", sagte Enders. "Das geht jetzt jedem unserer 130'000 Mitarbeiter unter die Haut."

Aufklärung oder Hexenjagd? 

Airbus hat ein internes Meldesystem für Verstösse gegen die Verhaltensregeln installiert. Dort gingen 2018 fast doppelt so viele Meldungen ein wie ein Jahr zuvor, wie die Insider berichten. Die meisten liessen sich mit dem Arbeitsrecht lösen, in 40 Fällen wurden Betrugsvorwürfe geäussert, ein halbes Dutzend Mal ging es um Bestechung. Dazu kam eine zweistellige Zahl von angeblichen Verstössen gegen Exportkontrollen - zu diesem Komplex wird in den USA ermittelt. Airbus wollte sich zu den genannten Zahlen nicht äussern.

Der nicht ausgestandene Skandal macht auch Investoren Sorgen. "Die Aktionäre warten immer noch auf volle Aufklärung zu den Bestechungs- und Korruptions-Vorwürfen", kritisierte die Fondsgesellschaft DWS vor der Hauptversammlung. Airbus habe aber die Compliance-Standards verbessert, um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern. "Das Unternehmen scheint auf dem richtigen Weg zu sein."

Airbus gibt im Jahr mehr als 100 Millionen Euro für Anwälte aus, die intern schonungslos aufklären sollen, um die Ermittler in Frankreich und Grossbritannien milde zu stimmen. Schon 2017 hatte ein britischer Richter einen radikalen Wandel gefordert. Wie viele der Entlassungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen stehen, ist unklar. Unterdessen wird der Unmut über die internen Untersuchungen lauter, sogar von einer "Hexenjagd" ist die Rede. Die Beschwerde-Hotline verzeichnete allein 80 Mobbing-Vorwürfe. Die Ermittlungen ziehen Branchenkreisen zufolge auch die Airbus-Verkaufszahlen in Mitleidenschaft. Zahlreiche weitere Manager dürften Airbus verlassen, obwohl ihnen konkret nichts vorzuwerfen sei.

Millionen-Pensionspaket für Enders

Das 37 Millionen Euro schwere Rentenpaket für den 60 Jahre alten Enders hat angesichts dessen den Unmut der Belegschaft in Wut umschlagen lassen. "Es gibt keinen golden, silbernen oder bronzenen Fallschirm", verteidigte ein Sprecher die Zahlungen. "Das sind vertragliche Verpflichtungen, die vor vielen Jahren vereinbart wurden."

Was wird von der Ära Enders bleiben? Auch seine Kritiker halten ihm zugute, dass er den Konzern weitgehend vom Einfluss der Regierungen in Paris und Berlin befreit und mehr als ein halbes Dutzend unterschiedlicher Marken und Tochterfirmen der einstigen EADS unter der Dachmarke "Airbus" geeint hat.

"Das Unternehmen ist deutlich robuster und wettbewerbsfähiger als vor einigen Jahren", resümiert Enders selbst. Dass sein Nachfolger Guillaume Faury noch genug zu tun hat, weiss er aber auch: "Ich wollte den Laden eigentlich besenrein übergeben", sagte er. "Aber das ist naiv." 

(Reuters/cash)