Der Verlust der beiden Grossstädte wäre inbesondere für Erdogan, der sich stark im Wahlkampf engagiert hatte, eine Schlappe. In Istanbul hatte er in den 1990er Jahren als Bürgermeister seine politische Karriere begonnen. Allerdings reklamierten die AKP-Kandidaten trotz der Zwischenergebnisse der Auszählungen den Sieg für sich. Falls nötig, werde man das Resultat anfechten, kündigte die Partei an. Die türkische Lira, die wie die Wirtschaft seit längerem schwächelt, gab am Montag gegenüber dem Dollar erneut nach.

Die angespannte Wirtschaftslage mit einer Rezession gilt als ein wichtiger Faktor, der Erdogan und der AKP zu schaffen machen. In Wirtschaftsmetropolen wie Istanbul ist dies besonders spürbar. In kleineren Städten des Landes konnte sich offenbar die AKP besser behaupten. In der Hauptstadt Ankara lag der Kandidat der oppositionellen CHP-Partei nach Auszählung fast aller Stimmen mit vier Prozentpunkten vorne. Auf Mansur Yavas entfielen danach 50,9 Prozent der Stimmen.

Ausgang in Istanbul noch nicht entschieden

In Istanbul ist der Ausgang der Wahl offenbar knapper. Nach Angaben der Wahlkommission vom Vormittag lag hier CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu mit rund 25.000 Stimmen vor dem früheren Ministerpräsidenten Binali Yildirim von der AKP. Unklar blieb zunächst, wieviel Prozent der Stimmen bereits ausgezählt wurden.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz, der auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, sprach von einem klaren Votum der Bürger gerade in Istanbul und Ankara für Demokratie. "Erdogan sollte das sehr ernst nehmen, denn es wäre auch der Weg aus der Wirtschaftskrise, die er persönlich zu verantworten hat", sagte Bayaz. "Das System Erdogan wurde mit diesen Wahlen zwar nicht gestürzt, aber es hat deutliche Risse bekommen."

Die europäische Wahlbeobachter-Gruppe "Council of Europe's Congress" äusserte Zweifel, ob alle Parteien gleiche Chancen gehabt hätten. Es fehle an einer freien und fairen Wahlkultur, um von eine Abstimmung mit europäischen Standards zu sprechen.

Die Wahlen am Sonntag waren von Zwischenfällen überschattet worden. In der Provinz Malatya wurden einem Parteisprecher zufolge zwei Mitglieder einer islamistischen Gruppierung erschossen. Laut Medienberichten wurde ein Verdächtiger festgenommen. Im ganzen Land waren rund 53.000 Polizisten und Sicherheitskräfte im Einsatz, um die Stimmabgaben zu sichern.

(Reuters)