cash: Herr Pedergnana, der Quartalsgewinn der UBS ist fast doppelt so hoch wie erwartet ausgefallen. Überrascht?

Maurice Pedergnana: Dieses Ausmass überrascht mich tatsächlich. Allerdings darf man ein einzelnes Quartalsergebnis der UBS nicht überbewerten. Man sieht allerdings bereits, dass sich die Konzentration auf das Vermögensverwaltungsgeschäft niederschlägt. Am meisten fällt das Ergebnis im Aktienhandel auf, das mehr als ein Drittel über den Markterwartungen liegt – und das in einem Umfeld, in welchem die Kundschaft noch nicht risikofreudig geworden ist. Wenn der Risikoappetit erst mal anzieht, wird die UBS zu einer richtigen Cash-Flow-Maschine.

Der Netto-Neugeldzufluss ist so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr, dazu kommen steigende Bruttomargen. Ein Ausdruck, dass die Kunden die Neuausrichtung der UBS honorieren?

Vor allem die Bruttomargen sind erstaunlich hoch. Diese deuten darauf hin, dass die UBS primär Grosskunden anziehen konnte. Im Quervergleich mit internationalen Banken liegt die UBS damit an der Spitze. 

Die Finanzanalysten hatten durchs Band mit tieferen Zahlen gerechnet. Wie können sich Experten derart verschätzen?

Zu deren Ehrenrettung muss man sagen: Es ist viel schwieriger, ein Quartalsergebnis als ein Jahresresultat zu prognostizieren. Vor allem dann, wenn sich die Bank in einem Restrukturierungsprozess befindet und man nicht weiss, an welchem Punkt sich dieser befindet. Aber nach dem heutigen Ergebnis wird man sehen, dass verschiedene Analysten hinter ihre Excel-Sheets gehen und Verbesserungen einbauen. Das wird zur Einschätzung führen, dass die UBS heute unterbewertet ist.

Was heisst das für den Aktienkurs?

Die heutige Reaktion an der Börse ist nur ein Vorläufer. Ich erwarte im Jahresverlauf Kurse von 20 Franken und mehr.

Mit dem Titel der Credit Suisse sind Anleger aber seit Jahresanfang besser gefahren?

Mit den Quartalszahlen haben die UBS-Aktien deutlich an Momentum gewonnen. Die guten Zahlen, die Dynamik in der Ertragssteigerung und die eingeschlagene Strategie sind ein Ausdruck davon, dass das Investmentbanking nicht mehr die grosse Rolle spielt wie bei der Credit Suisse, die weiterhin sehr amerikanisiert bleibt.

Die Credit Suisse hat trotz des Festhaltens am Investmentbanking nur einen unwesentlich höheren Gewinn eingefahren. Ein weiterer Punkt, der für die UBS spricht?

Man könnte sogar sagen: Die UBS ist heute auf dem Weg, den vor über zehn Jahren bereits Financier Martin Ebner gefordert hatte. Der Ausflug ins Investmentbanking und das Bestreben, mit überhöhten Ambitionen grosse Erträge über das eingesetzte Risikokapital zu erwirtschaften, ist gescheitert.

Hat die UBS-Strategieänderung nach diesen Zahlen eine Signalwirkung auf andere Banken?

Nein, Strategien werden nicht quartalsweise über Bord geworfen. Möglicherweise werden Banken ihre eigene Strategie nochmals genauer anschauen und hinterfragen. Klar ist aber, dass die UBS als grösster Vermögensverwalter im kundenbezogenen Geschäft eine superiore Strategie hat. Die Bank hat eine hohe Beachtung im stark wachsenden asiatischen Raum, und auch in Amerika hat sie sich wider Erwarten gut geschlagen. Die Konkurrenz, die weniger auf die Vermögensverwaltung setzt, muss sich fragen, wohin ihre zukünftige Richtung geht. Denn der Konzentrationsprozess in diesem Bereich ist in vollem Gang.

UBS-CEO Sergio Ermottis Kommentar zu den Zahlen lautete, es sei noch zu früh, den Sieg zu erklären. Wo liegen noch Stolpersteine?

Die UBS arbeitet noch immer mit relativ wenig Eigenkapital. Am Montagabend kam überraschend die Meldung, dass die Deutsche Bank zum zweiten Mal seit Ausbruch der Finanzkrise eine Kapitalerhöhung durchführen muss. Ihre Kapitaldecke ist zu gering für allfällige kommende Erschütterungen. Das makroökonomische Umfeld ist zu wenig stabil, dass sich eine Bank zurücklehnen könnte. Das Ergebnis ist zu einem erheblichen Teil den Interventionen der Zentralbanken zu verdanken. Sollten diese nicht wie vorgesehen andauern, drohen wieder turbulentere Zeiten an den Börsen. Das würde auch der UBS wieder Löcher in die Bilanz reissen.


Maurice Pedergnana (47) ist Professor für Banking und Finance an der Hochschule Luzern und Wirtschaftsleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ).