Firmenchef Thomas Ahlburg verlässt nach gerade einmal etwas mehr als zwei Jahren seinen Arbeitgeber Stadler Rail. Verwaltungsratspräsident und Ankeraktionär Peter Spuhler übernimmt interimistisch. Schuld seien unterschiedliche Auffassungen über den zukünftigen strategischen Kurs. Das lässt sich zumindest einer Mitteilung an die Medien entnehmen.

Für Beobachter kommt diese Rochade an der Spitze des Schienenfahrzeugherstellers überraschend. Einige sehen in Ahlburg denn auch ein Bauernopfer, kassiert das Unternehmen in der Medienmitteilung doch auch gleich das Ziel einer operativen Marge (EBIT) von mindestens 6 Prozent bei einem Jahresumsatz von 3,5 Milliarden Franken die Rede.

Dementsprechend unterkühlt reagieren die Anleger auf die Neuigkeiten. Nach einem frühen Rücksetzer auf 37,82 Franken wird die Stadler-Rail-Aktie zur Stunde noch mit einem Minus von rund 3 Prozent auf 38,70 Franken abgestraft.

Kritik an der Informationspolitik wird laut

Auch die Zürcher Kantonalbank zeigt sich überrascht vom Rücktritt Ahlburgs. Was die Aussetzung der diesjährigen Vorgaben anbetrifft, so befürchtet sie, dass neben dem potenziell tieferen Umsatz zusätzlich auch die verspätete Fakturierung einen negativen Einfluss auf die Barmittelgenerierung haben könnte. Den mehrjährigen Auftragsbestand hält die Zürcher Kantonalbank hingegen nicht für gefährdet. Sie hält deshalb an der "Marktgewichten" lautenden Anlageempfehlung fest.

Die Credit Suisse schliesst aus den Neuigkeiten auf ernsthafte Probleme bei Stadler Rail. Zudem kritisiert die Grossbank den Zeitpunkt der Medienmitteilung. Sie hält es für ungewöhnlich, eine solche Mitteilung an einem Feiertag zu machen. Die Credit Suisse stuft die Aktie vorerst mit "Neutral" und einem Kursziel von 41 Franken ein, räumt allerdings ein, dass die diesjährige Umsatz- und Gewinnentwicklung vorerst nicht abschätzbar ist.

Die UBS zeigt sich ebenfalls erstaunt vom Abgang des Firmenchefs nach gerade einmal zweieinhalb Jahren. Der Grossbank zufolge geht nun trotz einem Auftragsbestand von mehr als 15 Milliarden Franken per Ende 2019 eine gewisse Unsicherheit für die Aktionäre aus. Das Anlageurteil bleibt bei "Neutral" mit einem 12-Monats-Kursziel von 43,50 Franken.

Das Unternehmen hatte zuletzt ein Problem mit der Glaubwürdigkeit

Es ist nicht das erste Mal, dass der Schienenfahrzeughersteller seit der Publikumsöffnung vom April 2019 bei den sich selbst gesteckten Zielen zurückkrebsen muss. Anlässlich der Halbjahresergebnisveröffentlichung von Anfang September sah sich das Unternehmen zu einer Reduktion der Margen-Vorgaben (EBIT) gezwungen. Im Januar war dann klar: Trotz randvollen Auftragsbüchern verfehlt es selbst diesen Zielwert ziemlich deutlich (cash berichtete).

Rückblickend hätten Stadler Rail und das Bankenkonsortium den Anlegern rund um den Börsengang zu viel versprochen, so verlautet aus den Handelsräumen hiesiger Banken. Das Unternehmen habe deshalb schon vor der Aufgabe der Zielvorgaben für das laufende Jahr ein Problem mit der Glaubwürdigkeit gehabt. Ob nach dem Rücktritt von Firmenchef Ahlburg nun alles besser wird, wagen Händler zu bezweifeln. An der Herausforderung, aus den randvollen Auftragsbüchern zu vernünftigen Margen Umsätze schlagen zu können, ändere sich durch die Rochade an der Unternehmensspitze nämlich nichts.