Mitte November präsentierte Holcim-CEO Jan Jenisch am Investorentag seine Pläne mit dem grössten Zementhersteller der Welt: Der Umsatzanteil des Kerngeschäfts solle von 60 auf 40 Prozent sinken, dafür das Geschäft mit Produkten für Gebäudehüllen steigen, und bis 2050 will Holcim klimaneutral werden.

Über das wichtigste Thema freilich herrschte Stillschweigen: wie es weitergeht an der Spitze des Boards von Holcim. Dem Präsidenten Beat Hess werden seit Längerem Rückzugsgelüste nachgesagt.

13 Jahre im Board

Nach BILANZ-Recherchen wird Hess nun aber noch einmal ein Jahr dranhängen bis zur Generalversammlung im Frühjahr 2023. Dann ist er 13 Jahre im Board – nach 12 Jahren stimmen angelsächsische Investoren in der Regel gegen eine Mandatsverlängerung.

Danach wird Hess mit dann fast 74 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Bereits heuer hatte Hess sein Mandat als Vizepräsident bei Sonova niedergelegt, jenes im Nestlé-VR letztes Jahr. Offiziell kommuniziert werden soll die Entscheidung spätestens im März, wenn die Einladungen und Traktanden für die nächste Generalversammlung verschickt werden.

Nachfolger von Hess an der Spitze des Holcim-Boards, so bestätigen mehrere gut informierte Quellen im Unternehmen, soll Jan Jenisch werden. Der war erst dieses Jahr in den VR gewählt worden und gilt dort seither neben Hess als der starke Mann.

Das wirft Fragen auf. Zwar gibt es in der Schweiz – anders als etwa in Grossbritannien oder Deutschland – keine vorgeschriebene Cooling-off-Periode, wenn der CEO ins Präsidium wechselt. Gern gesehen ist diese Praxis aber bei Aktionärsschützern und Investoren nicht.

Kommt hinzu, dass den Quellen zufolge sogar das Doppelmandat im Raum stehen soll: Als Übergangslösung für ein Jahr, bis der Nachfolger eingearbeitet ist, könnte Jenisch sowohl den CEO-Posten wie den des VR-Präsidenten bekleiden.

Diese Machtballung ist verpönt.

Kursrückgang um 20 Prozent

Jenisch hat in seinen vier Jahren an der Spitze von Holcim den Konzern gehörig durchgeschüttelt – personell, von den Strukturen und Prozessen her, aber auch in den Geschäftsbereichen: Zuletzt war das wichtige Brasilien-Geschäft verkauft worden, stattdessen investierte Holcim 3,4 Milliarden in die Akquisition des amerikanischen Flachdachherstellers Firestone.

Den Aktionären hat das alles nichts genützt: Der Kurs ging unter Jenisch trotz Börsenhausse um rund 20 Prozent zurück. Es gibt daher nicht wenige Stimmen im Konzern, die warnen, dass Jenischs Wechsel aufs Präsidium angesichts der unerledigten Aufgaben viel zu früh käme.

Ausserdem wird Jenisch übernächstes Jahr erst 57, das ist relativ jung für eine VR-Karriere.

Dies dürfte auch den Kreis der möglichen Nachfolger auf dem CEO-Posten einschränken. Sowohl Hess wie Jenisch gelten grundsätzlich als Anhänger von internen Nachfolgeregelungen. Doch von den internen Papabili, den vier Zonenleitern, ist Asien-Chef Martin Kriegner fünf Jahre älter als Jenisch, Nordamerika-Leiter René Thibault ist gleich alt.

Beide dürften daher als zukunftsgerichtete Nachfolgelösung ausfallen. Deutlich jünger, momentan 42, ist EMEA-Chef Miljan Gutovic, aber noch nicht lange im Unternehmen.

Die besten Chancen dürfte daher der Schweizer Oliver Osswald haben, 51 Jahre alt und ein Holcim-Urgestein, auch wenn er mit Lateinamerika einen eher kleinen Bereich verantwortet.

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Holcim: Hess verlängert als VR-Präsident – CEO Jenisch soll ihn 2023 ablösen".