Ihre Ernennung kam nicht überraschend, aber sie schreibt dennoch Geschichte: Kamala Harris wird an der Seite des designierten demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden in den Wahlkampf gegen Amtsinhaber Donald Trump ziehen - als erste schwarze Frau in dieser Position. Vergangenes Jahr war die heute 55-jährige Senatorin aus Kalifornien noch mit ihrer eigenen Präsidentschaftskampagne gescheitert. Kritiker warfen ihr vor, keinen klaren politischen Kurs gesteuert zu haben. Inmitten der Unruhen nach der Tötung des Schwarzen George Floyd und des Wiederauflebens der schwarzen Bürgerrechtsbewegung galt Harris inzwischen jedoch als logische Wahl für Biden. Der 77-Jährige sah sich zusehends unter Druck, mit einer schwarzen Frau an seiner Seite gegen Trump anzutreten, dem Kritiker Frauenfeindlichkeit und eine Nähe zu Nationalisten vorwerfen.

Als Harris 2016 in den Senat gewählt wurde, war sie erst die zweite schwarze Frau, die dort Einzug hielt. Zuvor hatte sie als Staatsanwältin gearbeitet, später war sie Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Während ihrer eigenen Präsidentschaftskampagne, die vielversprechend begonnen hatte, fuhr sie einen Schlingerkurs: Zunächst positionierte sie sich als Reformerin an der Seite von Senatoren wie Elizabeth Warren und Bernie Sanders, später steuerte sie dann wieder zurück in Richtung Mitte. Im Dezember gab sie auf.

"Gegen die Grossbanken, für die Arbeiter"

War sie während ihrer eigenen Präsidentschaftskampagne noch dafür kritisiert worden war, sie habe es allen recht machen wollen und kein klares Programm vertreten, bezog sie nach der Tötung Floyds dann offensiv Position: Sie kämpfte für eine Polizeireform und soziale Gerechtigkeit, nicht nur im Senat, sondern auch auf der Straße und in Interviews. Im Senat lieferte sie sich Rededuelle mit Republikanern und nahm Trump hart unter Beschuss. Gemeinsam mit dem afroamerikanischen Senator Cory Booker wurde sie das Gesicht der Demokraten im Kampf gegen Polizeigewalt. Im August warb Ben Crump, der Anwalt der Floyd-Familie, in einem Meinungsartikel für ihre Kandidatur. "Es ist ganz einfach: Sie treibt seit 30 Jahren den Wandel auf allen Ebenen der Regierung voran, kommunal, im Bundesstaat und in Washington", schrieb er.

Während sie ihr soziales Profil stärkte, bemühte sich Harris zugleich darum, ihre Beziehung zu Biden weiter zu verbessern. Die beiden kennen sich seit langem, da Harris mit Bidens verstorbenem Sohn Beau befreundet war. Dieser hatte als Generalstaatsanwalt in Delaware mit ihr zusammengearbeitet, als sie das gleich Amt in Kalifornien bekleidete. "Als Kamala Generalstaatsanwältin war, hat sie eng mit Beau kooperiert. Ich habe beobachtet, wie sie die Großbanken zur Verantwortung zogen, sich für die Arbeiter stark machten und Frauen und Kinder vor Missbrauch schützten", schrieb Joe Biden am Dienstag auf Twitter. "Ich war damals stolz, und ich bin heute stolz, sie als Partnerin in diesem Wahlkampf an meiner Seite zu haben."

"Schlag in die Magengrube"

Vergangenes Jahr wurde ihr Verhältnis allerdings auf eine harte Probe gestellt, als Harris Biden in einer Debatte wegen dessen früherer Haltung im Streit über eine bessere Durchmischung der Schulen mit Blick auf die Herkunft der Schüler scharf attackierte. Bidens Frau Jill bezeichnete den Angriff später als "Schlag in die Magengrube". Einige von Bidens Berater hielten Harris' Vorgehen für Opportunismus.

Seit sie sich im Rennen um die Kandidatur der Demokraten im März hinter Biden stellte, hat sich Harris zur entschiedenen Fürsprecherin Bidens entwickelt und viele Spenden für ihn eingesammelt. Biden selbst sagte im August, für ihn sei die alte Attacke Vergangenheit. "Ich bin nicht nachtragend." Trotzdem musste sich Harris noch auf den letzten Metern Vorwürfen erwehren, sie sei politisch zu ehrgeizig und stelle Bidens Interessen nicht vor ihre eigenen. Harris' Unterstützer wiesen diese Kritik als sexistisch zurück.

(Reuters)