Zwölf Tage vor der Abstimmung über die Abzocker-Initiative von Thomas Minder kommt es zu einem neuerlichen Paukenschlag: Der Verwaltungsrat von Novartis und Daniel Vasella teilten am Dienstagmorgen mit, dass der Vertrag mit der hoch dotierten Wettbewerbsklausel annulliert werde. Die Klausel sah vor, dass Vasella bis 2019 jährlich mit bis zu 12 Millionen Franken für das auferlegte Konkurrenzverbot entschädigt wird.

Nach Meinung des Politgeografen Michael Hermann wird dieser plötzliche Richtungswechsel von Novartis und Vasella kaum mehr in die Hände der Befürworter des indirekten Gegenvorschlags spielen. "Viele unentschlossene Wähler haben ihre Meinung nach dem Schlüsselereignis vom Freitag gemacht", sagt Hermann. Das Glas sei bereits zerbrochen und die negative Wirkung zu stark gewesen.  

Das zeigte am Sonntag eine Umfrage im Auftrag des "Sonntagsblick". Das Ja-Lager ist im Vergleich zu Mitte Januar von 54 auf 57 Prozent gewachsen, während 37 Prozent der Stimmberechtigten die Abzocker-Initative ablehnen. Das sind 7 Prozent mehr als noch im Januar. Gleichzeitig sank der Anteil der Unentschlossenen von 16 auf 6 Prozent.

Öffentlicher Druck zeigt nur wenig Wirkung

Hermann glaubt, dass der Rückzieher von Vasella die Meinung der Befürworter weiter stärken wird. "Sie sind nach diesen Ereignissen zur Erkenntnis gelangt, dass es politischen Druck zur Bekämpfung von hohen Salären und Entschädigungen benötigt", sagt Hermann. Gerade das Beispiel Vasella zeige, dass öffentlicher Druck zu wenig Wirkung zeige. Der 59-Jährige ist seit Jahren an den Aktionärsversammlungen von Novartis von seinen Shareholdern wegen seinen Bezügen und seiner langen Machtkonzentration als CEO und Verwaltungsratspräsident kritisiert worden. Erst der politische Druck habe zu einem Umdenken geführt, sagt Hermann.

Auch aus der Politik gibt es kaum lobende Worte für Vasella. Sie habe den Rückschritt Vasellas erwartet, sagt die SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer im Interview mit Radio SRF. "Der Druck ist so stark geworden, dass Vasella einsehen musste, dass er verzichten muss", sagt die Baselbieterin. Vasella sei kein Einzelfall, so Leutenegger Oberholzer weiter. Deshalb brauche es eine breite Zustimmung zur Abzocker-Initiative, um die Abzockerei zu stoppen.

FDP will zukünftige Vasellas verhindern

FPD-Präsident Philipp Müller will zukünftige Vasellas verhindern. Für ihn ist Vasellas Verzicht auf die Entschädigung Beleg für das Versagen des heutigen Systems. Dabei sei unwesentlich, ob Vasella das Geld zu spenden gedenke oder darauf verzichte, sagte Philipp Müller gegenüber der SDA.  Der Vorfall zeige, dass dringender Handlungsbedarf angezeigt sei. Denn heutzutage lasse das System diese "horrenden" Bezüge zu.

CVP-Präsident Christoph Darbellay lobte hingegen Vasellas Entscheid. Es sei ein Zeichen der Grösse, wenn man Fehler zugebe. Und im Falle Vasellas hätte man mit dem Gegenvorschlag eine schlagfertige Lösung gehabt, die die Initiative nicht böte.

Als einziger Parteipräsident wollte Toni Brunner die Aktion von Vasella nicht kommentieren. Er nehme diesen zwar zur Kenntnis, es sei aber ein  "persönlicher Entscheid, den ich nicht weiter kommentiere", schrieb der SVP-Präsident in einer Stellungnahme. In seinen Augen wird der Vorfall kaum Einfluss auf die Abstimmung haben.