Vor vielen Jahren klagte einmal der damalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer in Paris, er würde ja so gerne enger mit französischen Firmen zusammenkommen, stosse aber meist auf taube Ohren. Und bei Airbus, so etwas wie die Mutter aller deutsch-französischen Firmenehen, hiess es oft über den Alltag: "Es ist unendlich schwierig."

Doch die Zeiten haben sich geändert: Die wachsende internationale Konkurrenz, vor allem aus China, zwingt nicht nur das politische Europa, sondern auch seine Unternehmen zur Bündelung der Kräfte. Das ist eine der Botschaften, die Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron gerade erst in seiner Rede zur Zukunft des Kontinents den Europäern in die Bücher schrieb.

Für die Besonderheit grosser deutsch-französischer Fusionen steht auch Steffen Seibert. Normalerweise ist der deutsche Regierungssprecher schmalllippig, wenn es um die Kommentierung von Unternehmensdingen geht. Doch bei Siemens-Alstom wurde Seibert geradezu redselig. Ein Zusammenschluss von "europäischem und von globalem Rang", jubelte er. Genau wie Frankreichs Regierung freue sich die deutsche Seite über das Signal, "dass der Binnenmarkt auch in der Realität der Unternehmen zusammenwächst". Es gibt noch mehr Belege dafür aus der jüngeren Vergangenheit, nicht nur die Fusion der Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann und Nexter. Auch für die Commerzbank gibt es Interessenten im Nachbarland.

Deutsch-französische Fusionen haben ein besondere Note

Jedoch - deutsche und französische Firmen zusammenzubringen und das dann auch noch zur Erfolgsgeschichte zu machen, ist eine Herausforderung. Pierre de Bartha hat sich mit seiner Unternehmensberatung JPB vor Jahren auf die Begleitung solcher Bündnisse spezialisiert. Fragt man ihn nach dem grössten Problem, kommt von ihm der Satz: "Den Deutschen geht es in erster Linie um die Sache, den Franzosen um die Macht." Das mache es oft so schwierig, zumal, wenn es sich nicht um "Schönwetterfusionen" handle.

Die Deutschen, so seine Beobachtung, versuchten oft mit Fakten, Argumenten, Zahlen zu überzeugen. Die Franzosen dagegen agierten emotionaler, spontaner, achteten stärker auf Personen, Prestige. Die erste Phase einer Firmenehe sei dabei meist das schwierigste. Oft unterschätzten Deutsche gerade in dieser Phase, was auf der "nicht-sachlichen" Ebene laufe.

Auch Benedicte de Peretti kümmert sich mit ihrer B2P Communications um deutsch-französische Wirtschaftskooperationen. In vielem teilt sie die Beobachtung ihres Kollegen, auch wenn sie glaubt, dass die Besonderheiten langsam abschleifen. Sie spricht von einem "französischen Minderwertigkeitskomplex" gegenüber den Deutschen, der immer noch hin und wieder aufflackere. De Peretti nennt aber auch einige ganz handfeste Differenzen, die das Zusammenspiel oft erschwerten.

Deutsche sind analystischer, Franzosen emotionaler

"In der Unternehmenswelt funktionieren deutsche und französische Unternehmen anders", lautet der Befund der schon lange in Deutschland lebenden Beraterin. Wenn es gelinge, eine gemeinsame Basis zu finden, gebe es riesige Potentiale, denn man könne sich in vielem ergänzen. Ein Unterschied ist nach ihren Worten das Verhältnis zu Hierarchien. In deutschen Firmen werde viel mehr delegiert, in die Verantwortung von Mitarbeitern gegeben, als in französischen. Dort laufe das Geschehen viel stärker von oben nach unten.

Ein weiterer Unterschied laute: In Deutschland gibt es Formen betrieblicher Mitbestimmung von Arbeitnehmern, die französischen Firmen fremd seien. Zudem beobachtet de Peretti in Frankreichs Unternehmenslandschaft mehr Individualismus, ein extremeres persönliches Karrierestreben. Schliesslich spricht sie von einer unterschiedlichen "Art zu denken": systematischer, analytischer die Deutschen, emotionaler, kreativer und grenzüberschreitender die Franzosen.

Der Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg, Frank Baasner, hat ebenfalls mehr als 30 Jahre Erfahrungen in der Unternehmensberatung gesammelt. Er sieht Probleme bei deutsch-französischen Firmenbündnissen speziell immer dann aufkommen, "wenn sie politisch aufgeblasen" sind, wenn die Staaten mitreden, wenn es um grosse Konzerne geht.

"In der öffentlichen Wahrnehmung geht es dann immer schnell um die Verantwortung des einzelnen Staats für seine Industrie, dann geht es um Arbeitsplätze, um Prestige." Unterhalb dieser politischen Wahrnehmungsschwelle funktionierten Kooperationen, Übernahmen und Bündnisse dagegen meist problemlos. "Da gibt es viele Erfolgsgeschichten, die nicht erzählt werden", sagt er. 

(Reuters)