Eine Übersicht über grosse und aufsehenerregende Pleiten in Deutschland:

Holzmann

Altlasten aus Immobiliengeschäften hatten den einst grössten deutschen Baukonzern bereits 1999 an den Rand der Pleite gebracht. Bundeskanzler Gerhard Schröder schaltete sich selbst in die Rettung ein - im März 2002 war Holzmann trotzdem zahlungsunfähig, 153 Jahre nach seiner Gründung. Davon betroffen waren 24.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen wurde zerschlagen, 7000 Arbeitsplätze blieben erhalten. 2005 traf die Krise in der Bauwirtschaft auch die Nummer zwei der Branche, die Münchner Walter-Bau.

Kirch

Die Dachgesellschaft des Medienimperiums von Filmrechtehändler Leo Kirch, KirchMedia, rutschte im April 2002 wegen Überschuldung in die Insolvenz. Kirch war unter anderem an der Privatsender-Kette ProSiebenSat.1, an dem Pay-TV-Sender Premiere und am Verlagshaus Springer beteiligt. Der Unternehmer machte den damaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer für den Zusammenbruch verantwortlich, nachdem dieser Zweifel der Kreditwürdigkeit Kirchs geäussert hatte. In einem Vergleich zahlte die Bank später 925 Millionen Euro an seine Erben.

Lehmann Brothers

Die Deutschland-Tochter der US-Investmentbank war das einzige Geldhaus, das im Zuge der Finanzkrise hierzulande pleiteging. Insolvenzverwalter Michael Frege konnte die Gläubigerforderungen Jahre später aber zu 100 Prozent erfüllen - anders als bei vielen Töchtern in den USA und im europäischen Ausland, wo die Gläubiger Abstriche machen mussten. Frege kassierte für sein Team nach Medienberichten das höchste Honorar, das je bei einer deutschen Insolvenz bezahlt wurde, einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Die Summe wird nach der Insolvenzmasse berechnet. Deutsche Banken, die in der Strudel der Finanzkrise geraten waren, allen voran die Hypo Real Estate, wurden vom Staat vor der Pleite gerettet.

Arcandor

Die börsennotierte Holding um die Warenhauskette Karstadt sowie die Versandhändler Quelle und Neckermann brach 2009 zusammen. Kurz zuvor hatte der ehemalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sein Amt als Arcandor-Chef abgegeben. Ihm wurde vorgeworfen, das Unternehmen mit Finanztricks ausgeblutet zu haben. 2014 wurde er unter anderem wegen Untreue zu drei Jahren Haft verurteilt. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg sagte zu Quelle: "Wir haben mit der Lupe nach der Substanz in diesem Unternehmen gesucht, aber wir haben nichts Nennenswertes gefunden." Die Privatbank Sal. Oppenheim, die die Arcandor-Grossaktionärin Madeleine Schickedanz finanziert hatte, musste wegen ihrer Verluste im Zuge der Pleite von der Deutschen Bank aufgefangen werden. Quelle wurde abgewickelt, die mit dem Konkurrenten Galeria Kaufhof fusionierte Nachfolgefirma Karstadt flüchtete sich im März in ein Schutzschirmverfahren.

Schlecker

Die ehemals grösste deutsche Drogeriekette mit 8000 Filialen und 32.000 Beschäftigten im In- und Ausland musste im Januar 2012 Insolvenz anmelden. Die Kreditversicherer hatten den Stecker gezogen. Grund für die Pleite waren Management-Fehler von Firmengründer Anton Schlecker, deretwegen sich über Jahre Verluste anhäuften. Schlecker hatte aus einer Metzgerei in Ehingen bei Ulm ein europaweites Firmenimperium geschaffen. Er wurde wegen vorsätzlichen Bankrotts 2017 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, seine Kinder mussten ins Gefängnis, weil sie vor der Pleite Geld aus dem Unternehmen gezogen hatten.

Air Berlin

Die zweitgrösste deutsche Fluggesellschaft ging im August 2017 in Insolvenz, weil ihr der Grossaktionär und wichtigste Geldgeber Etihad den Geldhahn zudrehte. Er war trotz angeblicher Zusagen nicht mehr bereit, für die Verluste von Air Berlin einzustehen. Mit einem Kredit von über 150 Millionen Euro hielt die Bundesregierung den Flugverkehr in der Urlaubssaison aufrecht. Die wichtigsten Überreste von Air Berlin gingen an die Lufthansa und den britischen Billigflieger Easyjet. Insolvenzverwalter Lucas Flöther klagt im Namen der Gläubiger gegen Etihad auf eine Milliarden-Entschädigung.

P&R

Der Vermieter von Schiffscontainern, der 2018 Insolvenz anmeldete, könnte zum grössten Anlagebetrug Deutschlands werden. Das Unternehmen hatte 54.000 Anlegern 1,6 Millionen Container als Kapitalanlage verkauft, von denen aber nach Erkenntnissen des Insolvenzverwalters rund eine Million nicht existierten. P&R sei spätestens seit 2007 ein Schneeballsystem gewesen. Der Schaden dürfte sich nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft auf bis zu zwei Milliarden Euro belaufen.

Wirecard

Seit Jahren hatte der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München mit Vorwürfen wegen Scheingeschäften und Bilanzfälschung zu kämpfen. Vor allem Transaktionen in Asien sorgten für Misstrauen. Doch der Vorstand um Markus Braun und die Anleger liessen sich nicht beirren. 2018 stieg die Firma, die an der Börse zeitweise fast 25 Millionen Euro wert war, sogar in den Leitindex Dax auf. Erst als die Wirtschaftsprüfer von KPMG in einer Sonderprüfung Bedenken anmeldeten und EY das Testat unter der Bilanz 2019 verweigerte, brach das Kartenhaus zusammen. Bankbestätigungen über 1,9 Milliarden Euro erwiesen sich als gefälscht.

(Reuters)