cash: Herr von Metzler, der Bankenplatz Schweiz befindet sich im Wandel. Wie nehmen Sie diesen Wandel in Frankfurt wahr?

Friedrich von Metzler: Wir selber sind nicht am Bankenplatz Schweiz aktiv. Insofern merken wir das nicht unmittelbar bei uns in der Bank. Aber die Schweizer Banken werden merklich aktiver in Frankfurt - allerdings nicht mehr wie früher überwiegend im Private Banking. Der hiesige Finanzplatz wird insgesamt wichtiger für die Schweizer Banken, die bei ihren Europaaktivitäten sicher stärker als in der Vergangenheit auf Frankfurt bauen.

Hat das Bankhaus Metzler möglicherweise mehr Kunden, seit die Schweizer Banken eine Weissgeldstrategie verfolgen?

Wir wachsen seit Jahren erfreulich und stetig in unserem Geschäftsfeld Private Banking. Das hat viele gute Gründe. Ob der von Ihnen genannte Aspekt hierbei relevant ist, wissen wir nicht. Für uns spielt er keine Rolle.

Das Bankhaus Metzler ist seit 340 Jahren in Familienbesitz, die Bank hat nie die Schalter zugemacht. Wie schafft man das?

Indem man die Geschichte kennt. Wir kennen die Krisen der letzten 300 Jahre, und wir wissen, dass es immer wieder Krisen geben wird. Darauf muss man vorbereitet sein. Man muss eine Strategie und genügend Kapital haben. Wir gehen nur in Geschäftsfelder, die zur Struktur einer Privatbank passen.

Sie verzichten auch bewusst auf Strukturierte Produkte oder den Eigenhandel…

Wir haben vier Bereiche: Die private Vermögensverwaltung, die institutionelle Vermögensverwaltung, das Capital-Markets-Geschäft und Corporate Finance. Das sind eigentlich auch die ursprünglichen Bankgeschäfte, bevor Deutschland industrialisiert wurde. Die Privatbanken und die Industrie haben dann die Grossbanken gegründet. Unser Geschäft war Ende des Zweiten Weltkrieges klein und vorübergehend gar nicht mehr da, da Teile des Kapitalmarktes nicht mehr vorhanden waren. Das Kredit- und Spargeschäft war nach dem Krieg sofort wieder gefragt. Unsere Vorgänger haben sich damals glücklicherweise gesagt: Wir bleiben klein und wir warten ab, bis unser Geschäft und der Kapitalmarkt wieder in die Gänge kommen. So geschah es dann auch, und die nächste Generation konnte das ursprüngliche Geschäft wieder aufbauen. Eine Privatbank sollte sich auf ihre Stärken besinnen.

Wie viele Übernahmeangebote erhalten Sie jährlich?

(lacht) Wir bekommen keine Übernahmeangebote, weil man weiss, dass wir die Bank nicht verkaufen. Wir sind bloss vier Anteilseigner, die sich sehr einig sind darüber, dass es gut war, die Bank über 300 Jahre in Familienbesitz zu führen. Wir sind auch mit den Mitarbeitern und Kunden sehr eng verbunden, und die verlassen sich auch auf diese Kontinuität.

Sie haben einmal gesagt, das Bankhaus Metzler pflege die Kultur des langsamen Geldes. Was meinen Sie damit?

Wir wollen in erster Linie das Kapital unserer Kunden erhalten und das Vermögen vermehren. Es gibt Inflationsrisiken, Deflationsrisiken und politische Risiken. Darauf muss man sich einstellen und nicht primär an die Rendite denken. Die Deutschen sind noch immer überwiegend in Nominalwerte investiert. Wir versuchen unsere Kunden davon zu überzeugen, dass ohne Aktien eine langfristige Vermögensmehrung nicht möglich ist.

Weshalb dieser Schwerpunkt auf Aktien?

Ich sage Ihnen etwas, das Sie vielleicht überraschen mag: Die Aktie ist eine der sichersten Vermögensanlagen. Im letzten Jahrhundert haben wir in Deutschland unsere mündelsicheren Papiere zweimal komplett verloren. Wir haben nach dem Krieg mit unserem gestreuten Aktiendepot das Vermögen der Bank, aber auch das unserer Kunden wie zum Beispiel grossen Stiftungen wieder aufbauen können. Gute Aktienwerte haben schlimmste Krisen überlebt und haben sich wieder gut entwickelt. Man muss sich schon bei der Auswahl der Aktien die Frage stellen, ob diese Aktien Krisen überleben können. Und man muss die Entwicklung der Aktien ständig verfolgen.

Spüren Sie Druck von Kunden, die im Nullzinsumfeld mehr Rendite wollen?

Die Kunden wollen natürlich eine ordentliche Rendite. Wir mussten sie in bestimmten Phasen davon abhalten, zuviel Rendite anzustreben, weil diese natürlich immer in Relation zum Risiko steht. Bei der Vermögensvermehrung kommt es in erster Linie nicht auf die Rendite an, sondern auf die Streuung des Risikos, sowohl bei Branchen wie auch geografisch. Unsere Grundphilosophie lautet: Immer ein Drittel in Nominalwerten und ein Drittel in Substanzwerten halten, egal ob die Börsenentwicklung kritisch ist oder die Kurse extrem steigen. Und das letzte Drittel wird je nach Situation gewichtet.

Stand oder steht eine Expansion des Bankhauses Metzler in die Schweiz nie zur Debatte?

Wir haben uns immer überlegt: Wo gibt es die grössten Chancen für uns? Und: Haben wir die richtigen Menschen dafür? So sind wir heute in den USA, in Japan und in China sehr erfolgreich. Wir versuchen, uns nicht zu verzetteln und machen das europäische Geschäft von Frankfurt aus.

Sie verlangen von Neukunden mindestens 3 Millionen Euro an investierbarem Kapital. Das ist, auch im Vergleich zu Schweizer Privatbanken, relativ viel.

Wir bieten im Private Banking ausschliesslich Vermögensverwaltung und keine Beratung an. Ausserdem setzen wir keine passiven Produkte ein, sondern wir betreiben aktives Portfoliomanagement. Wir suchen aktiv Einzelwerte aus, und dazu braucht es ein gewisses Volumen. Unser Ziel ist, die Kunden über Generationen zu begleiten. Der überwiegende Teil unserer Kunden sind übrigens mittelständische Unternehmer. Die sind ähnlich aufgestellt wie wir und denken ähnlich.

Sie treten in der Öffentlichkeit bescheiden auf, sie pflegen soziale Engagements. Muss man das als Privatbankier?

Man gewinnt als Privatbankier nichts, wenn man gross auftritt. Und es wird in der Öffentlichkeit durchaus geschätzt, dass man bodenständig ist.

Das ist ja nicht selbstverständlich. Der Ruf des Bankiers generell hat in den letzten Jahren wegen diverser Skandale gelitten. Tut Ihnen das weh?

Unser Image als Bank hat sicher nicht gelitten. Ich will nicht sagen, dass wir von den Entwicklungen in den letzten Jahren profitieren konnten.

Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Mitarbeiter aus?

Mein Vater hat immer gesagt: wähle die Leute nach den drei grossen 'C' aus: Charakter, Charakter, Charakter. Das weiss jeder bei uns im Haus. Wir schauen bei den Mitarbeitern nicht nur auf die fachliche Qualifikation, sondern auch die Wertevorstellungen. Die Mitarbeiter sollen sich auch fragen: Welche Aufgabe hat eine Bank in der Gesellschaft? Was können wir für sie tun? So haben wir die Metzler-Stiftung gegründet. Hier arbeiten die Mitarbeiter die Themen aus, wie wir uns mit der Stiftung engagieren.

Erzählen Sie.

In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut ermöglichen wir Studenten aus Spanien, Italien und Griechenland einen Aufenthalt in Frankfurt, damit sie einen Job in Deutschland finden können. Wir haben auch einmal straffällig gewordene Frauen unterstützt, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, um Ihnen den Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu erleichtern. Als dies bekannt wurde, haben sich ganz viele Leute gewundert, dass eine Privatbank so etwas macht. Aber ein derartiger Leadership, ein solcher Mut zu ungewöhnlichen Taten, das liegt mir am Herzen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Eurozone?

Die ursprüngliche Idee des Euro war ja, dass die einzelnen Ländern nicht mehr abwerten wollten. Denn mit einer Währungsabwertung gibt man der Industrie im internationalen Wettbewerb vorübergehend eine Hilfe. Aber die Industrie wird dann nicht mehr gezwungen, durch Produktivitätssteigerung global wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben. Die Idee des Euro war also ganz hervorragend. Leider sehen viele Leute nicht, dass bis heute wichtige Reformen durchgeführt werden. Man soll nicht glauben, dass es bei einem Auseinanderbrechen des Euro in Europa besser gehen sollte.

Fakt ist, dass es immer grösseren Widerstand gibt gegen die Idee der Eurozone. Das kann man an den Wahlresultaten ablesen, auch in Deutschland.

Der europäische Gedanke ist überall in Gefahr. In Grossbritannien ist er zum Beispiel gar nie richtig entstanden. Dass dies eine schwierige Entwicklung ist, ist uns allen klar. Deshalb sollten wir alle etwas unternehmen, und deshalb auch unsere kleine Initiative mit den Studenten aus Südeuropa.

Die Europäische Zentralbank kämpft mit allen Mitteln gegen die Krise in der Eurozone. Gehen ihr nicht langsam die Instrumente aus?

Eine ganz wichtige Entwicklung und Funktion wird die europäische Bankenaufsicht einnehmen. Das wird die Dinge harmonisieren und über die Ländergrenzen hinweg vereinfachen. Die EZB hat dafür sehr gute Leute eingestellt.

Ihre Tochter arbeitet übrigens bei Nestlé. In der Schweiz?

Nein, sie absolvierte nach dem Studium ein Traineeship bei der Nestlé-Tochtergesellschaft in Frankfurt. Jetzt arbeitet sie in einer Produktionsgesellschaft bei Worms. Im nächsten Jahr wird sie aber zum Bankhaus Metzler stossen.

Ein Schritt zur Nachfolgeregelung?

Mein Vetter Leonhard ist schon seit einigen Jahren in der Bank. Für meine Tochter es ist auf jeden Fall wichtig, dass auch sie die Bank kennenlernt, genauso wie mein Sohn Franz, der deshalb jetzt schon bei uns ist. Meine Kinder sollen sich aber frei entscheiden können, was sie später machen wollen. Sie müssen einen Beruf finden, bei dem sie glücklich sind.

Friedrich von Metzler (71) ist seit 1971 persönlich haftender Gesellschafter der Privatbank B. Metzler seel. Sohn & Co. mit Sitz in Frankfurt und einer der bekanntesten Bankiers Deutschlands. Das Bankhaus Metzler wird seit der Gründung 1674 in Familienbesitz geführt. Friedrich von Metzler lernte das Geldgeschäft bei internationalen Grossbanken in London, Paris und New York kennen. Er ist verheiratet und Vater von Elena und Franz. Von Metzlers drittes Kind Jakob wurde 2002 im Alter von elf Jahren von einem Studenten entführt und ermordet.

Das Interview mit Friedrich von Metzler wurde Mitte letzter Woche am Rande der Morningstar Investment Conference in Frankfurt geführt, an der von Metzler als Redner auftrat.