ABB erleidet im dritten Quartal einen Gewinnrückgang in Höhe von 15 Prozent. Doch damit schneidet der schweizerisch-schwedische Industriekonzern auf den Stufen operativer Gewinn (EBITA) und Reingewinn besser ab, als Analysten befürchtet hatten. Beim Reingewinn werden sogar die höchsten Schätzungen übertroffen.

Allerdings ist der vorliegende Zahlenkranz von einer Vielzahl einmaliger Faktoren geprägt und deshalb nur schwierig zu lesen. Neben Kosten für die Vereinfachung der Organisationsstruktur fielen auch solche für die Ausgliederung und den Verkauf des Stromnetzgeschäfts an. Im Gegenzug trugen einmalige Erträge überdurchschnittlich stark zum Quartalsgewinn bei. Hinzu kommt, dass viele Analysten ihre Schätzungen unmittelbar vor der Ergebnisveröffentlichung noch mit dem Rotstift überarbeitet haben.

An der Schweizer Börse SIX legen die Anleger ihre anfängliche Vorsicht ab. Nach einem Vorstoss auf 20,05 Franken gewinnt die ABB-Aktie zur Stunde noch 3,5 Prozent auf 19,92 Franken. Händler berichten von einer Mischung aus Anlage- und Deckungskäufen.

Ein Quartal mit vielen Sondereinflüssen

Wie die Zürcher Kantonalbank schreibt, liegt das Ergebnis beim Auftragseingang und beim Umsatz zwar etwas unter den Erwartungen. Der operative Gewinn entspreche den Schätzungen jedoch. Auf Stufe Reingewinn seien die Erwartungen vor allem dank tieferer Sonderkosten übertroffen worden, so heisst es weiter. Die Zürcher Kantonalbank erwartet nun, dass sich das Margenprofil im Zuge allmählich wegfallender "Stranded Costs", des laufenden Konzernumbaus sowie der fortschreitenden Integration der übernommenen GE Industrial Solutions verbessern sollte. Die ABB-Aktie stuft sie vorerst aber weiterhin nur mit "Marktgewichten" ein.

Auch in einem Kommentar aus dem Hause J.P. Morgan verweist der Autor, übrigens ein gebürtiger Schweizer, auf die zahlreichen einmaligen Kosten und Erträge, die im dritten Quartal angefallen seien. Als ergebnisbelastend bezeichnet er neben Restrukturierungskosten auch einen ausserordentlichen Abschreiber auf einem Projekt in Südamerika. Im Gegenzug dürften Steuergutschriften geholfen haben. Der J.P.-Morgan-Analyst bezeichnet den vorliegenden Zahlenkranz als durchwachsen und hält mit einem Kursziel von 18 Franken an seiner "Underweight" lautenden Verkaufsempfehlung fest.

Sein Berufskollege bei der Bank Vontobel erklärt sich den besser als erwartet ausgefallenen Quartalsgewinn ebenfalls mit einmaligen Faktoren. Um diese bereinigt sei die operative Gewinnentwicklung in den einzelnen Geschäftsbereichen etwas schwächer als erhofft ausgefallen. Auch die zukunftsgerichteten Aussagen bezeichnet er als durchzogen. Der Vontobel-Analyst stuft die Aktie mit "Hold" und einem Kursziel von 22 Franken ein.

Aus Sicht der für die Basler Kantonalbank tätigen Analystin ist ABB im Vorfeld des Amtsantritts des neuen Firmenchefs mit sich selbst beschäftigt. Damit spielt sie auf die eingeleitete Neuausrichtun und die Loslösung der an Hitachi verkauften Stromnetzspare an. Ihres Erachtens kommt nun auch noch Gegenwind von der globalen Konjunkturlage hinzu, weshalb gegenüber den ersten sechs Monaten praktisch kein Wachstum mehr vorhanden ist. Die stuft die Aktie mit "Marktgewichten" und einem Kursziel von 20,70 Franken ein.

Björn Rosengren übernimmt schon bald das Ruder

Als ABB Mitte August den langjährigen Sandvik-Chef Björn Rosengren zum Nachfolger von Firmenchef Ulrich Spiesshofer ernannte, liess das Unternehmen durchblicken, dass Rosengren am 1. Februar des nächsten Jahres eintreten werde. Den CEO-Job soll er am 1. März übernehmen.

Es wartet auf Rosengren bei seinem zukünftigen Arbeitgeber viel Arbeit. Er muss ABB nach dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts an die japanische Hitachi neu erfinden. Gleichzeitig stehen Forderungen von Grossaktionären im Raum, die die verbleibenden Geschäftsaktivitäten am liebsten auf zwei voneinander unabhängige Unternehmen verteilt sähen.

Und dann wäre da noch die allgemeine Unzufriedenheit über die Aktienkursentwicklung. Mit einem mageren Plus von 3 Prozent seit Jahresbeginn zählt die ABB-Aktie zu den SMI-Komponenten mit der schwächsten Entwicklung in diesem Jahr. Im langjährigen Vergleich öffnet sich die Schere zum breiten Markt sogar noch weiter.