Laut einer Bloomberg-Umfrage dürfte die europäische Gemeinschaftswährung von derzeit 1,1050 Dollar bis März auf 1,12 Dollar zulegen und dann bis zum Jahresende 2020 weiter auf 1,16 Dollar klettern.

Mancher Analyst könnte die Faktoren zugunsten des Euro jedoch unterschätzen, sowohl in Bezug auf den zu erwartenden fiskalischen Schub für die Konjunktur, als auch bezüglich des wachsenden Widerstands gegen die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank. Zudem scheint der Trend zu Euro-Carry-Trades abzuebben, der für die Währung ein Belastungsfaktor ist.

Das von Strategen zu Jahresbeginn prognostizierte Potenzial für eine Euro-Rally wurde 2019 durch die Verwendung des Euro als Finanzierungswährung geschmälert. Da die europäischen Anleiherenditen zu den negativsten der Welt gehören, haben Anleger angesichts der global hohen Risikobereitschaft den Euro verkauft, um anderswo höher rentierliche Anlagen zu kaufen.

Einige Beobachter sehen diese Carry-Trade-Idee als überholt an und halten den Euro nicht mehr für eine zukunftsfähige Finanzierungswährung. Die Positionierung am Markt könnte inzwischen überzogen sein: Mit Euro finanzierte Carry-Trades haben in diesem Jahr bislang für 20 der 23 von Bloomberg verfolgten Schwellenländer-Währungen zu Gewinnen geführt.

Wiederholung der Entwicklung aus dem Sommer 2014?

Die Schwellenländer-Währungen profitierten bislang vom Rückgang der Euro-Volatilität auf Rekordtiefs. Möglicherweise sehen sich Devisenhändler nun einer neuen Ära der Volatilität gegenüber.

Es könnte zu einer Wiederholung der Entwicklung aus dem Sommer 2014 kommen, als sich die Volatilität von den damaligen Rekordtiefs erholte und sich ein zweijähriger Aufwärtstrend abzeichnete. Das derzeitige Volatilitätsniveau spiegelt die abwartende Haltung der Anleger in Bezug auf Handelsgespräche und Brexit wider.

Auf dem Optionsmarkt erreichten die bullischen Wetten auf Ein-Jahres-Sicht den höchsten Stand seit April 2018, wie aus dem Stimmungs- und Positionsbarometer der Risk-Reversals hervorgeht. Dies muss sich allerdings noch am Kassamarkt widerspiegeln, der in diesem Jahr von einer lang anhaltenden Korrelation mit dem Optionshandel abgelöst hat.

Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde räumte ein, dass die akkommodierende Haltung der EZB während der Erholung ein wesentlicher Antriebsfaktor der Inlandsnachfrage gewesen sei und dieser Kurs bestehen bleibe. Dies könnte auf weitere Zinssenkungen im nächsten Jahr hindeuten, wie die aktuellen Marktpreise signalisieren.

Negativzinspolitik wird zunehmend in Frage gestellt

Die Negativzinspolitik wird allerdings zunehmend von den Finanzministern des Euroraums in Frage gestellt. Sie kritisieren die schädlichen Auswirkungen auf die Sparer und die Rentensysteme. Und sie sind nicht die einzigen. Pimco warnt davor, dass die negativen Zinsen mehr schaden als nutzen könnten. Denn sie beeinträchtigten die Rentabilität der Banken, drückten die Marktrenditen und schüfen eine „Geldillusion“, in der sich die Sparer ärmer fühlen und daher ihren Konsum reduzieren.

Die geldpolitischen Entscheider der EZB entgegnen, dass die negativen Zinsen nicht so lange vonnöten wären, wenn die Regierungen mehr tun würden, um die Konjunktur anzukurbeln. Die EZB könnte ihr Inflationsziel mittelfristig auf 2% optimieren, was schließlich zu einer Belebung der Inflationserwartungen führen könnte. Dann müsste der Markt möglicherweise eine Abkehr von den Negativzinsen einpreisen, was die Anziehungskraft des Euro als Finanzierungswährung im Endeffekt verringert.

Letztlich bleibt festzuhalten: Der Optimismus der Banken zu den Aussichten des Euro im Jahr 2020 wächst. Am ausgeprägtesten an der Wall Street ist er bei Morgan Stanley, hier rechnen die Analysten im ersten Quartal mit einer Euro-Rally von 5% auf 1,16 Dollar. Sie sehen die Währung als eine ihrer Top-Handelsempfehlungen.

ABN Amro Bank und die Commerzbank erwarten bis März ebenfalls einen rascheren Anstieg auf 1,14 Dollar, da sich die Wirtschaft der Region stabilisiere und die Unsicherheit bezüglich des Brexit nachlasse. Optionshändler setzen ebenfalls auf Gewinne bei der Gemeinschaftswährung.

(Bloomberg)