Entlassungen, Reorganisation und steigender Druck am Arbeitsplatz sind für über 50-jährige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wachsendes Problem. Gedankenspiele über die künftige Regelung der Altersvorsorge spielen in diese Situation hinein. Sollte das Renteneintrittsalter steigen, muss der Arbeitsmarkt für ältere Mitarbeiter offen bleiben.

In der aktuell angespannten Lage liegt für manche der Gedanke einer Neuorientierung nahe. Quereinstiege sind aber, wenn man weiterhin im Rahmen des gewohnten Einkommens entlohnt werden will, anspruchsvoller geworden: "Ein totaler Wechsel von Beruf und Branche ist generell schwierig", sagt Regula Hunziker von der Personal-Coaching-Firma Perspectiv-Beratung.

Personalberater sprechen von der B&B-Regel: Die Chancen sind besser, wenn man entweder den Beruf in der gleichen Branche wechselt, oder den Beruf, die Funktion beibehält und in eine andere Branche geht. Bei gewissen Branchen sind Chancen auf eine Neueinstellung oder eine Weiterenwicklung beträchtlich, wie die Zusammenstellung von cash zeigt. 

Handwerk, Ingenieure, Techniker

Handwerker haben sowohl mit und ohne Weiterbildung immer noch eine gute Chance, eine Stelle zu finden, sofern sie körperlich gesund sind. Auch im Baugewerbe ist die Stellenlage nicht schlecht. "Ingenieure und Arbeitnehmer mit einem technischen Hochschulabschluss finden auch mit 55 Jahren nach einem halben bis einem Jahr eine neue Stelle", sagt der unabhängige Laufbahnberater Urs Brennwald. In der Schweiz herrsche in solchen Berufen ein klares Nachwuchsproblem: Man sehe dies daran, dass viele Lehrstellen bei handwerklichen und technischen Berufen offen seien.

Dank technischem Fachwissen haben diese Arbeitnehmer eine gute Ausganglage, ihre Tätigkeit zu verändern. Bei technischen Berufen gibt es Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, die älteren Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Diese bestehen zum Beispiel darin, technisches Fachwissen aus Ausbilder weiterzugeben, oder dieses im Verkauf anzuwenden.

Soziale Berufe, Gesundheitswesen, Ausbildung

Arbeiten mit alten Menschen, in der Betreuung von Flüchtlingen oder sozial Benachteiligten ist ein Wachstumszweig. Auch der gesamte Gesundheitssektor generiert Beschäftigung. Die "weichen Werte" wie die Persönlichkeit und die Fähigkeit zur Kommunikation sind Punkte, die für Quereinsteiger interessant sind, sagt Laufbahnberater Brennwald.

In sozialen Bereichen ist der Quereinstieg vergleichsweise einfach und auch beliebt. "Jemand möchte nicht mehr einfach eine Nummer in einem Büro sein, sondern seine menschlichen Fähigkeiten und seine Lebenserfahrung einsetzen, und geht dafür in einen sozialen Beruf oder ins Gesundheitswesen", so Brennwald. Je nach dem sei zunächst gar nicht das spezifische Fachwissen gefragt – dieses lasse sich teilweise aneignen – sondern zwischenmenschliche Aspekte und das persönliche Engagement.

Ausbildung ist auch eine Form der Weiterentwicklung, wo ältere Arbeitnehmer relativ gute Chancen haben, Fuss zu fassen. Techniker beispielsweise entscheiden sich dafür, ganz oder zum Teil ihr Wissen und ihre Erfahrung in die Ausbildung anderer einzubringen.

Informatik

Schon ab 45 ist der IT-Arbeitsmarkt für viele Arbeitnehmer schwierig: "In der Konkurrenz bezüglich aktuellem technischem Know-how verlieren sie gegen Jüngere", sagt Rolf Walser von der Personal- und Unternehmensberatung Nexus. Es gebe lediglich noch einige wenige Nischen, wie beispielsweise ältere Programmiersprachen oder alte Systemwelten, wo die junge Konkurrenz fehle. "Ich denke es ist ein Irrglaube, dass sich ältere Informatiker noch neueres Wissen aneignen sollen, um im heutigen Job-Markt erfolgreicher zu sein: Besser ist, sich von der Technologie wegzubewegen und allgemeinere Bereiche wie IT-Organisation oder Schnittstellenfunktionen anzustreben", sagt Walser.

Gemäss Beat Mühlemann, Personalberater in Bern, gibt es laut Statistik schwierigere Bereiche als die IT. "Das liegt aber auch daran, dass sich Informatiker, die über eine längere Zeit auf Stellensuche sind, neu ausrichten." Gut ausgebildete IT Fachkräfte, die über ein aktuelles IT-Wissen verfügen, weichen demzufolge der Arbeitslosigkeit aus, indem sie ein eigenes Unternehmen gründen und als Consultant oder als Zeitarbeitskraft für Unternehmen tätig sind. "Ehemalige Quereinsteiger ohne fundierte Informatik Ausbildung finden oft nur eine neue Anstellung, wenn sie beim Salär Einbussen in Kauf nehmen", sagt Mühlemann.

Finanzbranche, kaufmännische Berufe, Sachbearbeiter

Die Finanzbranche ist im Nachgang zur Finanzkrise ein schwieriges Pflaster für ältere Arbeitnehmer geworden. Entlassungsrunden und immer neue Restrukturierungen haben den Druck erhöht. Anstellungsverhältnisse werden belastet, wenn dauernd die Chefs wechseln, unablässig neue Strategien und Prozesse eingeführt werden und die Anforderungen unklarer werden. Der Arbeitsmarkt in diesem Sektor, der vor der Krise noch boomte, ist mittlerweile ausgedünnt.

Die typischen Bürojobs sind ebenfalls schwierig geworden. Dies ist vor allem der Fall in schrumpfenden Branchen wie der oben erwähnten Finanzindustrie. Die Chance auf eine Anstellung in diesem Bereich steigen mit dem Grad der Spezialisierung. Eine gute Aus- und Weiterbildung ist aber noch keine Garantie für eine Neuanstellung: Die Unternehmen hätten immer klarere Vorstellungen davon, was sie von Bewerbern erwarteten, sagt Regula Hunziker: "Faktenspezifische Erfahrung und Ausbildung stehen oft vor dem Potential."

Öffentliche Verwaltung, Lehrer

Bund, Kantone und Gemeinden wollen Arbeitgeber dazu animieren, auch ein Augenmerk auf ältere Arbeitnehmer zu legen. Bei gewissen Stellen beim Staat gibt es Initiativen, 50plus zu fördern. Für Lehrer ist die Beschäftigungslage auch über 50 gut, denn in der Ausbildung setzt man auf erfahrene Berufsleute.

In der öffentlichen Verwaltung eine Stelle zu finden, ist aber auch nicht in jedem Falle einfach: "In der öffentlichen Verwaltung arbeiten oft Leute, die lange am selben Arbeitsplatz sind. Ähnlich wie auch in traditionellen, etablierten Unternehmen sucht man dann bei Neueinstellungen eher junge Mitarbeiter, um die Teams aufzufrischen", sagt Regula Hunziker.

Gastronomie

Die Krisenbranchen Tourismus und Gastgewerbe schliesslich sind Bereiche, wo weitgehend auf jüngere Mitarbeiter sowie auch am meisten auf Zuwanderer gesetzt wird. Diese gelten als belastbarer und flexibler, ausserdem ist in solchen unter wirtschaftlichem Druck stehenden Branchen eine Anstellung häufig eine Lohnfrage.

Sämtliche Wirtschaftszweige, in denen in den vergangenen Jahren Stellen abgebaut wurden, machen es Mitarbeitern über 50 nicht einfach. Dabei spielt weder die Geschlechtszugehörigkeit noch der Grad der Ausbildung eine wichtige Rolle, sondern nur der wirtschaftliche Druck, unter denen die Arbeitgeber stehen.