Ein baldiges Ende der Blockade des Suez-Kanals durch den seit Tagen festsitzenden Frachter "Ever Given" zeichnet sich vorerst nicht ab. Die Arbeiten könnten im schlimmsten Fall noch Wochen dauern und durch schlechtes Wetter verzögert werden, sagten Experten am Freitag.

Der japanische Eigner des 400 Meter langen Schiffes dementierte einen Medienbericht, wonach der Frachter schon am Wochenende aus der misslichen Lage befreit werden könnte. "Wir haben keine Prognose, wann die Arbeit erfolgreich sein wird", sagte eine Sprecherin von Shoei Kisen der Nachrichtenagentur Reuters.

Die japanische Zeitung "Nikkei" hatte zuvor berichtet, dass die Haverie am Samstag behoben werden könnte. In der deutschen Wirtschaft wächst derweil die Sorge, dass die blockierte Durchfahrt durch einen der weltweit verkehrsreichsten Schifffahrtskanäle die Lieferketten stören könnte. Zuletzt stauten sich mehr als 200 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals.

Spezialbagger sind im Einsatz

Das feststeckende Schiff soll mit Spezialgerät befreit werden. "Zusätzlich zu den bereits vor Ort befindlichen Baggern ist nun ein Spezialsaugbagger an Bord und wird in Kürze seine Arbeit aufnehmen", erklärte die Firma Bernhard Schulte Shipmanagement. "Dieser Bagger kann 2000 Kubikmeter Material pro Stunde bewegen."

Die ägyptische Betreibergesellschaft Suez Canal Authority (SCA) sagte, dass die Schleppversuche zur Befreiung des Schiffes wieder aufgenommen werden, sobald die Baggerarbeiten an seinem Bug zur Entfernung von 20'000 Kubikmetern Sand abgeschlossen seien. Die USA und die Türkei boten ihre Hilfe bei der Aktion an.

Die deutsche Industrie fürchtet schon bald mögliche Versorgungsengpässe. "Die bereits stockenden maritimen Lieferketten zwischen Asien und Europa drohen vollständig zum Erliegen zu kommen", sagte Holger Lösch aus der Geschäftsführung des Industrieverbandes BDI.

Die Umleitung des Schiffsverkehrs über Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung sei wegen der volatilen Ölpreise und der rund eine Woche längeren Transportzeit extrem teuer. "Derzeit sind keine Alternativen in Sicht, um Waren und Güter kurzfristig wieder auf Kurs zu bringen."

Kosten in Milliardenhöhe

Schon eine einwöchige Verzögerung sei problematisch, etwa für die Automobilindustrie. "Sobald die Blockade gelöst sein wird, kommen Staus auf Europas Häfen zu." Europas grösster Versicherer Allianz geht in einer Studie davon aus, dass eine anhaltende Blockade des Suez-Kanals jede Woche sechs bis zehn Milliarden Dollar kosten würde.

Der 193 Kilometer lange Kanal ist die kürzeste Verbindung zwischen Europa und Asien und der entscheidende Korridor für Rohöl und Importwaren nach Europa. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge fahren 98 Prozent der Containerschiffe durch den Suez-Kanal, wenn sie zwischen Deutschland und China unterwegs sind.

Die Volksrepublik ist seit Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner mit einem gegenseitigen Volumen von mehr als 212 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Etwa acht bis neun Prozent der gesamten deutschen Warenimporte und -exporte gehen durch den Suez-Kanal.

Umweg über das Kap

Der Kanal ist besonders wichtig für den Transport von Öl und Flüssiggas aus dem Mittleren Osten nach Europa. "Ein erster - wenngleich moderater - Anstieg der Öl- und Gaspreise war bereits zu konstatieren", sagte LBBW-Analyst Matthias Krieger. "Auch wenn die Blockade zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt kommt, erwarten wir nicht, dass die Weltwirtschaft nun deswegen ausser Tritt gerät."

Zum einen könne die Energieversorgung Europas auch mit Hilfe von Lagerbeständen lange genug gedeckt werden. Zum anderen könnte der Kanal im schlimmsten Fall über das Kap umfahren werden. Der Umweg würde allerdings drei weitere Wochen kosten: Der Kanal verkürzt den Weg von Europa nach Asien um etwa 7000 Kilometer. 

(Reuters)