Akzeptiert Griechenland noch doch die Sparauflagen, vertraut die Eurogruppe der Regierung Tsipras, reicht die Zeit für neue Verhandlungen? Am Mittwoch ist der hochverschuldete Staat gegenüber dem Weltwährungsfonds IWF offiziell in Zahlungsrückstand geraten, als erstes westliches Land überhaupt. Am Sonntag soll in Griechenland die gesamte Bevölkerung über die Kreditauflagen der Gläubiger – neben den übrigen Eurostaaten und dem IWF haftet auch die Europäische Zentralbank EZB für die griechischen Risiken – abstimmen. Dabei ist aber auch nicht ganz klar, ob das Referendum wirklich stattfinden wird.

Über dem ganzen Hin- und Her fragen sich viele: Wer "gewinnt" am Schluss? Wer hat mehr herausgeholt, wer hat mehr nachgegeben, die Griechen oder die Eurozone? Wer lacht zuletzt? Bei der Cash-Umfrage glauben 53 Prozent der knapp 1400 Teilnehmer, dass es die Griechen sein werden, die letztlich die Gläubiger in die Knie zwingen. 47 Prozent glauben folglich, dass sich die Eurogruppe durchsetzt.

Keine einfachen Antworten

Doch was heisst schon: "Wer zuletzt lacht"? Die Antworten sind komplex, denn alle Beteiligten haben Interessen, die je nach Ausgang der Krise als Sieg oder Niederlage angesehen werden können.

Griechenland hat ein Interesse, möglichst günstige Bedingungen zu erhalten: Das alte Hilfsprogramm über 110 Milliarden Euro, in dem noch 18 Milliarden zur Verfügung standen, ist mit dem 30. Juni erloschen. Um eine Staatspleite mit ungewissen Folgen für das Land und möglichen Erschütterungen an den Finanzmärkten in der Welt abzuwenden, braucht es ein weiteres Hilfsprogramm, mit dem Griechenland seien Verpflichtungen nachkommen kann.

Beim eigentlichen Ziel der linksgerichteten Athener Regierung, einen möglichst vollständigen Erlass von rund 330 Milliarden Euro Schulden bei relativ geringen Reformauflagen speziell in sozialen Fragen, wird die Eurogruppe kaum einlenken. Der Widerstand einer Reihe ärmerer EU-Staaten wie Portugal, Slowenien, der Slowakei oder den baltischen Ländern, die selber Sparprogramme durchmachten und zum Teil einen tieferen Lebensstandard haben als Griechenland, ist beträchtlich. Auch der einflussreiche deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble macht nicht mit, weil er um die Stabilität der Eurozone fürchtet, wenn zu viele Konzessionen geschehen.

Angst vor dem «Grexit»

Für die Eurogruppe steht eben auch viel auf dem Spiel. Der Verlust eines Mitglieds im Falle eines "Grexits", also einer Rückkehr zur Drachme, ist für viele Euro-Politiker eine Schreckensvorstellung. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihren Satz "Scheitert der Euro, scheitert Europa" dieser Tage wiederholt. EU-Präsident und Euro-Veteran Jean-Claude Juncker, einer der Väter der Gemeinschaftswährung, will sich einen Bankrott Griechenlands nicht vorstellen.

Er war in den vergangenen Tagen die treibende Kraft hinter vielen Konzessionen, die die Eurogruppe gegenüber bereits Griechenland machen wollte - bevor die Gespräche vorerst scheiterten. Der vollständige Erhalt der Eurozone ist den EU-Institutionen extrem wichtig. Daneben gibt es aber immer mehr Politiker und Ökonomen, darunter der prominente und umstrittene deutsche Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn, die den Grexit für die beste Lösung halten. Ein Ausscheiden Griechenlands wäre gemäss diesen Auffassungen noch kein "Bruch" oder "Scheitern" der Eurozone – anders, als das Angela Merkel und die Euro-Politiker darstellen.

Allenfalls würde ein Austritt Griechenlands den Euro sogar langfristig stärken und Griechenland dank eigener Währung wieder einen Boden unter den Füssen verschaffen, heisst es bei dieser Denkschule. Ob die Eurozone einen "Sieg" verbuchen wird, ist also auch eine Frage des Standpunkts.

Bevölkerung leidet

Nichts zu lachen hat definitiv Griechenland selber. Seit der Einführung von Kapitalkontrollen am vergangenen Wochenende kann die Bevölkerung nur noch 60 Euro pro Person und Tag aus dem Bankomaten lassen. Die griechischen Banken würden zusammenbrechen, wenn die EZB nicht Nothilfen fliessen liesse. Strom-, Wasser- und Medizinversorgung sind unsicher. Das tägliche Leben droht ins Chaos abzugleiten, zudem kann es jederzeit zu sozialen Unruhen und Gewalt kommen. 

Wenn eine neues Hilfsprogramm zustande kommt, wird dies die Bevölkerung mit weiteren Sparmassnahmen im Verbund mit höheren Steuern treffen. Gibt es kein neues Programm, wird die Zukunft schwer vorhersagbar. Der Lebensstandard für viele Griechen dürfte weiter sinken: Die Bevölkerung steht so oder so fast schon vor einer "lose-lose-situation". Vor diesem Hintergrund werden die Griechen wohl auch abstimmen, falls es am Sonntag zum Referendum kommt. Daher ist auch dessen Ausgang nicht verlässlich voraussagbar.