Google besitzt seit längerem eine europäische Bankenlizenz. Noch hat der Internetsuchdienst davon nicht Gebrauch gemacht. Für Bankenprofessor Andreas Dietrich ist es allerdings eine Frage der Zeit, bis branchenfremde Wettbewerber wie Google oder auch Apple in den Bankendienstleistungsmarkt eindringen. Im Fokus steht insbesondere der Zahlungsverkehr, wo beide Unternehmen mit Google Wallet und Apple Passport bereits investiert haben und eine Strategie verfolgen.

Zwar ist der Zahlungsverkehr ein eher unspektakulärer Ertragspfeiler für Banken, allerdings einer der wenigen, der stabil anfällt. "Dieser Pfeiler würde teilweise wegfallen, wenn die "Google Bank" Realität würde. Und das könnte einigen Banken wehtun", sagt Dietrich gegenüber cash.

Betroffen wären kleinere Banken

Der Bankenprofessor denkt dabei an kleinere Finanzinstitute wie beispielsweise die Regionalbankengruppe Clientis. Betroffen wären aber auch grössere Banken wie die Raiffeisen-Gruppe, die Nummer drei der Schweiz, einzelne Kantonalbanken oder die Migros- und Coop-Bank. Ihr Problem liegt darin, dass "diese Banken oft gar nicht die Grösse haben, um solche IT-Projekte zu stemmen", sagt Dietrich. Gerüstet wären aus seiner Sicht lediglich die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie Postfinance gut gerüstet. Insbesondere Postfinance ist für Dietrich im Bereich Zahlungsverkehr und Mobile Banking eines der innovativsten Finanzinstitute der Schweiz.

Was bedeuten diese Szenarien für die Schweizer Bankenbranche? "Die Folgen wäre nicht absehbar", sagt der Luzerner Hochschuldozent. Denn vor allem die jüngere digital affine Generation legt laut Dietrich weniger Wert darauf, wer einen Service anbiete. Dazu haben mobile Bezahldienste den Nebeneffekt, dass Kunden nicht mehr an ein Konto gebunden sind. Das wiederum lockert die Kundenbindung allmählich auf. "Reagieren Retailbanken nicht rechtzeitig oder gar nicht auf diese Veränderungen, könnten sie einen beträchtlichen Marktanteil an die 'Bank Google' oder 'Apple Bank' verlieren", schreibt der Dozent der Hochschule Luzern am Montag in seinem Blog.

Investitionen in die Digitalisierung «unumgänglich»

Dietrich ist nicht der Einzige, der davor warnt, dass insbesondere die Schweizer Banken die digitale Revolution im Bankensektor verpassen könnten. Bruno Richle, Chef des Bankensoftwareherstellers Crealogix, sagte kürzlich in einem Interview mit cash, dass immer mehr Unternehmen in den Bankenmarkt eintreten und bankähnliche Dienstleistung anbieten. Das werde die Banken unter Druck setzen, um notwendige technologische Fortschritte anzustreben.

Die Zeit für einen Paradigmenwechsel sei indes noch nicht reif, zu sehr seien die Banken mit ihren Hausaufgaben beschäftigt, so Richle weiter. Derweil verändern sich die Wertschöpfungsketten im Universalbankengeschäft, und der Druck auf die Margen hält an. Banken müssten sich deshalb immer mehr überlegen, wie sie trotz Kosteneinsparungen ihren Kunden weiterhin zufriedenstellende Dienstleistungen anbieten könnten, sagte Richle. Investitionen der Banken in die Digitalisierung seien mittelfristig unumgänglich.

Bereits im letzten Dezember warnte die Deutsche Bank vor der Konkurrenz aus dem Internet. "In Zukunft werden wir vermutlich nicht so sehr gegen andere Banken und Sparkassen konkurrieren, sondern zunehmend gegen die Microsofts und Googles dieser Welt", sagte Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen. Diese Unternehmen wüssten aufgrund ihrer riesigen Datenbasis viel mehr über die Bedürfnisse ihrer Kunden, als Banken es jemals erfahren werden, und könnten dadurch Dienstleistungen sehr gezielt anbieten.