Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA prüft mögliche Versäumnisse der deutschen Finanzaufsicht BaFin und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) bei der Beaufsichtigung von Wirecard, wie die ESMA am Mittwoch mitteilte. Zugleich werfen Abgeordnete BaFin-Chef Felix Hufeld vor, ihnen Sonderprüfungen der Finanzaufsicht bei der Wirecard Bank verschwiegen zu haben.

Milliardenschweren Bilanzskandal

Wirecard war Ende Juni nach einem milliardenschweren Bilanzskandal zusammengebrochen. Dies habe das Vertrauen der Anleger in die Bilanzierung und den Finanzmarkt untergraben, stellte die ESMA fest. Daher sei eine Prüfung nötig, die sie bis zum 30. Oktober 2020 abschliessen will - also noch während Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne hat.

Die BaFin hat wiederholt erklärt, sie habe bei dem Konzern nur sehr wenige Kontrollmöglichkeiten gehabt, weil die Wirecard AG nicht als Finanzholding eingestuft wurde. So habe sie die DPR im Februar 2019 mit einer Bilanzprüfung beauftragt, Ergebnisse hätten aber bis zur Insolvenz von Wirecard nicht vorgelegen. Die DPR verwies darauf, dass die ESMA nach einer eingehenden Prüfung im März 2017 die Qualität der Arbeit der Prüfstelle sehr positiv bewertet habe. Der Bund hat nach dem Wirecard-Skandal den Vertrag mit der DPR zum Ende 2021 gekündigt.

Sonderprüfung bei der Wirecard Bank

Zum Wirecard-Konzern gehört allerdings auch die Wirecard Bank, die über eine Vollbanklizenz verfügt, und damit unter die direkte Aufsicht der BaFin fällt. Die Behörde durchleuchtete das Geldhaus in den vergangenen Jahren in zwei Sonderprüfungen, wie am Mittwoch bekannt wurde. Im Sommer 2017 untersuchte die BaFin das Kreditgeschäft der Wirecard Bank, im Juli 2019 ging es um die Geldwäschebekämpfung, wie aus einer Reuters vorliegenden Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Danyal Bayaz hervorgeht. "Es handelte sich um Prüfungen ohne besonders schwerwiegende Feststellungen", sagte eine BaFin-Sprecherin.

Sonderprüfungen gelten als schärfstes Schwert der BaFin. Neben anlassbezogenen Prüfungen, bei denen die Finanzaufsicht einem konkreten Verdacht nachgeht, gibt es auch turnusgemässe Untersuchungen. Laut dem BaFin-Jahresbericht 2019 ordnete die Behörde im vergangenen Jahr 161 Sonderprüfungen an.

Bei seinem Auftritt im Finanzausschuss des Bundestags Anfang Juli habe Hufeld die Sonderprüfungen nicht erwähnt, sagte ein Teilnehmer. Der Chef der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick, übte erneut heftige Kritik an Hufeld. "Es ist noch schlimmer, wenn die BaFin einen Skandalkonzern erfolglos prüft, als wenn sie gar nicht prüft. Deshalb hat Felix Hufeld wohl bisher von dieser Prüfung öffentlich wie auch im Finanzausschuss nichts gesagt", sagte Schick und wiederholte seine Forderung nach einem Rücktritt Hufelds und einem radikalen Umbau der Finanzaufsicht.

BaFin zeigt Ex-Wirecard-Chef Braun wegen Insiderhandel an

Im Visier der BaFin ist der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun wegen Insiderhandels. Die Behörde erstattete bei der Staatsanwaltschaft München Anzeige gegen die MB Beteiligungsgesellschaft, hinter der Braun steht. Brauns Anwalt Alfred Dierlamm wies den Vorwurf des Insiderhandels gegen seinen Mandanten als "völlig haltlos" zurück, wie Dierlamm der "Süddeutschen Zeitung" sagte.

Zudem schaue sich die BaFin sämtliche Aktiengeschäfte rund um den Wirecard-Kollaps an, sagte die Behördensprecherin. Damit könnten möglicherweise auch andere Manager des insolventen Konzerns wegen des Verdachts des Insiderhandels ins Visier der Aufseher geraten. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt unter anderem bereits wegen Betrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation gegen Braun und weitere Manager.

(Reuters)