Der "Autofaktor" sei eine wichtige Ursache dafür, dass Grossbritannien in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1950 aus den Top Ten der wichtigsten deutschen Handelspartner rutschen könnte, stellte die bundeseigene Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) in einer Analyse fest. Der Warenaustausch mit Autos und Kfz-Teilen brach seit 2016, dem Jahr des Brexit-Referendums, im Durchschnitt um 12,3 Prozent pro Jahr ein. Das ist mehr als der gemeinsame Aussenhandel insgesamt nachgab.

Auch die Bedeutung schrumpft: Hatten Autos und Kfz-Teile 2016 noch einen Anteil von mehr als einem Viertel (26,7 Prozent) am deutsch-britischen Gesamtvolumen, war es 2020 weniger als ein Fünftel (18,8 Prozent). Der Rückgang betrifft alle Branchenbereiche. So sanken die Ausfuhren deutscher Neuwagen seit 2016 jährlich um durchschnittlich 14,1 Prozent und die Neuregistrierungen in Grossbritannien um durchschnittlich 11,8 Prozent. Das führt dazu, dass sich die deutschen Exporte zwischen 2015 und 2020 im Wert fast halbiert haben - von 30,4 Milliarden Euro auf 16,4 Milliarden Euro. Ein Grund für den Rückgang ist der Wandel weg von Verbrennern hin zu alternativen Antrieben.

Da das Phänomen mit einem Einbruch der Autoproduktion in beiden Ländern einhergeht, ist zwar klar, dass es sich nicht um ein isoliertes britisches Problem handelt. "Der langwierige Brexit-Prozess hat in der britischen Automobilindustrie aber als starker Unsicherheitsfaktor gewirkt", stellte GTAI fest.

Auch der deutsche Branchenverband VDA betont enorme Herausforderungen durch den Brexit - trotz der Einigung zwischen Grossbritannien und der EU in letzter Minute auf einen Handelsvertrag an Heiligabend 2020. Der Handel sei "deutlich komplizierter und damit teurer" geworden, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) der Deutschen Presse-Agentur mit.

Beispiele gibt es genügend. "So sind die Unternehmen teilweise mit Rechtsunsicherheit konfrontiert, da die britischen Zollbehörden oftmals nur eingeschränkt auskunftsfähig sind. Dies wird insbesondere auf Überlastung wegen des enormen Anfrageaufkommens zurückgeführt", hiess es vom VDA weiter. Hinzu kommen neue bürokratische Anforderungen wie die für die Zollfreiheit notwendigen Nachweise sowie Zeitaufwand bei der Anpassung der IT-Systeme.

"Aber nicht nur der Warenverkehr leidet: Nun auch doppelt notwendige Produktzulassungen und Zertifizierungen in UK bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für die Unternehmen. EU-Zertifizierungen können in UK nur noch in einem eng begrenzten Zeitfenster bis Ende nächsten Jahres verwendet werden", betonte der VDA. Schliesslich kamen die Folgen der Corona-Pandemie erschwerende hinzu - wie viele Branchen hatte die Automobilindustrie mit Produktionsausfällen und angespannten Lieferketten zu tun.

Eine Trendwende steht derzeit nicht bevor. So sank kürzlich die Zahl der neu zugelassenen Autos in Grossbritannien auf einen Tiefstand. Der September sei mit 215 312 neu zugelassenen Fahrzeugen der schwächste seit mehr als 20 Jahren gewesen, teilte der britische Branchenverband Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) mit. Hoffnung macht der Branche dabei aber die Entwicklung bei alternativen Antrieben. So erreichte die Zahl der neu zugelassenen batteriebetriebenen Autos mit 32 721 Fahrzeugen ihren bislang höchsten Monatsstand, der Marktanteil lag bei 15,2 Prozent. Die britische Regierung will bereits von 2030 an die Produktion von Dieselautos und Benzinern untersagen.

(AWP)