Der abgesetzte Deutschlandchef von EY, Hubert Barth, sprach am Freitag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Finanzskandal von einem "vorsätzlichen und systematischen Betrug" von wenigen Personen. So etwas sei nicht immer zu erkennen, auch nicht von Wirtschaftsprüfern. "Der Fall Wirecard ist ein Kriminalfall, ein einzigartiger Fall." Die Bilanzprüfungen seien stets sorgfältig gewesen und hätten eine kritische Grundhaltung gezeigt. Wirtschaftsprüfer seien aber nicht die Kriminalpolizei und auch nicht die Staatsanwaltschaft. Finanzpolitiker aller Parteien sagten, EY hätte den Schwindel wesentlich früher erkennen können.

Wirecard war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro grossen Lochs in der Bilanz in die Pleite gerutscht. Es ist einer der grössten Finanzskandale in der Nachkriegszeit. EY hatte jahrelang die Bilanzen des Münchner Zahlungsabwicklers geprüft und grünes Licht gegeben, obwohl es Warnhinweise in einigen Medien und auch von Investoren gab. Neben EY stehen die Aufsichtsbehörde BaFin und das Bundesfinanzministerium massiv in der Kritik. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft mehreren Ex-Managern von Wirecard, die teils in Untersuchungshaft sitzen und teils auf der Flucht sind, unter anderem gewerbsmässigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor.

"Wir wurden hier vorgeführt", sagte Christian Orth, ein zweiter EY-Vertreter, im Bundestag. "Wir versuchen wirklich, den Ursachen auf den Grund zu gehen." Bei Wirecard entpuppten sich angebliche Gelder auf Treuhandkonten in Asien am Ende als nicht existent. Orth sagte, im Zusammenhang mit dem Abschluss für 2019 habe es in der Presse erstmals Vorwürfe zu fehlenden Treuhandkonten gegeben. Die Existenz dieser Konten sei EY aber bestätigt worden, Mitarbeiter seien dafür extra in die philippinische Hauptstadt Manila gereist, um sich vor Ort einen Eindruck zu machen. Erst am 20. Juni 2020 - und damit wenige Tage vor der Wirecard-Insolvenz - sei klargeworden, dass die Angaben zu den Treuhandkonten, auf denen die knapp zwei Milliarden Euro liegen sollten, falsch gewesen seien. Daraufhin habe EY sofort die BaFin und den Wirecard-Aufsichtsrat informiert. Allen sei klar gewesen, dass dem Unternehmen damit der Stecker gezogen werde.

«NICHT DAS PRÜFER-EINMALEINS BEACHTET»

"Bei Wirecard wurden wichtige Grundsätze des Prüfer-Einmaleins nicht beachtet", kritisierte der Grünen-Politiker Danyal Bayaz. "Wenn Milliarden auf Treuhandkonten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können, muss das in einem Testat thematisiert werden." EY habe nachlässig geprüft, was den Betrug mitbegünstigt habe.

FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte Reuters, es gebe massive Zweifel, ob insbesondere die Testate der Jahre 2016 bis 2018 hätten erteilt werden dürfen. EY habe schon in diesen Jahren zu wenig nachgeforscht. Auch die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe äusserte sich kritisch: "Statt die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer anzuerkennen, stilisiert sich Herr Orth zum Opfer." Alle hätten aber auf das Testat der Prüfer geschaut und sich darauf verlassen.

Orth verteidigte EY: Der Wirecard-Abschluss für 2018 sei zwar bestätigt worden, allerdings mit einem ergänzenden Vermerk, dass es Vorwürfe in Singapur und damit ein gewisses Risiko gebe. "Das war als Warnung an die Öffentlichkeit zu verstehen." Der Vorsitzende des U-Ausschusses, der AfD-Politiker Kay Gottschalk, sagte Reuters, aus mehreren Dokumenten ergebe sich der Eindruck, dass EY bereits 2016 "alles Erforderliche gewusst" habe. 

(Reuters)