Was die Spatzen am Hauptsitz von Holcim in Jona schon seit Wochen von den Dächern pfiffen, ist seit dem frühen Mittwochmorgen bittere Gewissheit: Der vom Ostschweizer Zementkonzern für die ersten sechs Monate veröffentlichte Zahlenkranz bleibt selbst hinter den pessimistischsten Erwartungen zurück.

Nicht nur beim Umsatz, auch auf den Stufen betrieblicher EBITDA, Betriebsgewinn und Reingewinn vor und nach Minderheiten werden die Konsensschätzungen teilweise klar verfehlt. Da mutet es beinahe seltsam an, dass die Verantwortlichen an ihrem im Februar gemachten Jahresausblick festhalten und ein organisches Wachstum beim Betriebsgewinn erwarten.

Am Markt wird ihnen denn auch nur bedingt Glauben geschenkt, bricht die Aktie zweitweise doch um über 6 Prozent ein. Zur Stunde verliert sie noch 4,7 Prozent auf 73,10 Franken. Händler berichten von aggressiven Verkäufen aus dem Lager institutioneller Grossinvestoren.

Auch die Analysten reagieren mehrheitlich mit Enttäuschung auf das vorliegende Ergebnis.

So beispielsweise der bisher sehr zuversichtlich gestimmte Analyst der UBS Investmentbank. In einem Kommentar verschafft er seiner Enttäuschung Luft. Zwar sei das Ergebnis auf Stufe EBITDA im zweiten Quartal von Restrukturierungskosten und Kosten für die geplante Fusion mit Lafarge im Umfang von 37 Millionen Franken belastet worden. Doch selbst unter Ausklammerung dieser Sonderbelastungen seien die Konsensschätzungen um nicht weniger als 10 Prozent verfehlt worden.

Schwächere Umsatzdynamik im zweiten Quartal

Insbesondere in den Schwellenländern sei die Absatz- und Preisentwicklung überraschend schwach ausgefallen. Auf Basis der derzeitigen Konsensschätzungen sieht der Analyst Raum für Abwärtsrevisionen von 5 Prozent oder mehr. Er hält deshalb zwar an seiner Kaufempfehlung sowie am 12-Monats-Kursziel von 90 Franken fest, rechnet allerdings mit einer negativen Marktreaktion.

Sein für die Zürcher Kantonalbank (ZKB) tätiger Berufskollege stösst sich hingegen an der schwächeren Umsatzdynamik während des zweiten Quartals. So habe sich das organische Wachstum zu konstanten Wechselkursen von 7,8 Prozent in den ersten drei Monaten auf 2,3 Prozent abgeschwächt. Während sich die Wachstumsentwicklung in Nordamerika und Asien leicht gebessert habe, habe sie sich in Lateinamerika, Europa und Afrika deutlich verlangsamt, so der ZKB-Experte.

Analysten klammern sich an die Fusion mit Lafarge

Das zweite Quartal hat sich insgesamt schwächer als erwartet entwickelt. Der geplante Zusammenschluss mit Lafarge befindet sich laut Holcim hingegen auf Kurs, auch wenn keine weiteren Details dazu bekanntgegeben worden seien. Auch bei der ZKB macht man bei den Konsensschätzungen tendenziell Revisionsbedarf nach unten aus. Die Aktie von Holcim wird wie bis anhin mit "Marktgewichten" eingestuft.

Bei der Bank Vontobel werden Kosten im Zusammenhang mit der geplanten Fusion mit Lafarge für die Ergebnisenttäuschung verantwortlich gemacht. Der geplante Zusammenschluss sei genauso wie das in der Vergangenheit eingeleitete Kosteneinsparprogramm "Leadership Journey" auf Zielkurs. Auf Basis des vorliegenden Halbjahresergebnisses nimmt der zuständige Analyst das 94 Franken lautende Kursziel für die zum Kauf empfohlene Aktie allerdings in negative Revision. Er bleibt zuversichtlich und glaubt, dass Holcim grössere Rentabilitätsverbesserungen bevorstehen.

Sind die firmeneigenen Prognosen zu hoch?

Einen weiteren wichtigen Aspekt beleuchtet der für Helvea tätige Analyst. Auch er bezeichnet die Geschäftsentwicklung in Bezug auf das zweite Quartal als enttäuschend. Der schleppende Geschäftsgang könne sogar der Grund für die geplante Fusion mit Lafarge sein, so schreibt er in einem Kommentar. Die firmeneigenen Jahresprognosen höherer Margen und eines organischen Wachstums beim operativen Gewinn bezeichnet der Verfasser des Kommentars hingegen als ziemlich ambitiös. Dies nicht zuletzt aufgrund der hohen Vergleichsbasis aus dem Schlussquartal letzten Jahres. Er stuft die Aktie von Holcim deshalb weiterhin nur mit "Hold" und einem Kursziel von 80 Franken ein.