Zwar sagten Experten noch vor wenigen Monaten für 2019 eine Gezeitenwende vorher. Erstmals seit fast einem Jahrzehnt würden die großen Notenbanken in den USA, Europa und Asien den Finanzmärkten unter dem Strich Liquidität entziehen, lautete damals ihre Prognose. Doch inzwischen ist diese Annahme wohl nicht mehr zu halten. Chinas Geldpolitik und ein schwächeres Weltwirtschaftswachstum werden stattdessen wahrscheinlich dafür sorgen, dass die Notenbanken 2019 unter dem Strich ihre massiven Geldspritzen beibehalten.

"Wo die Reise hingeht, ist nun sehr klar," meint etwa Steve Donze, Konjunkturstratege bei Pictet. Er geht davon aus, dass dieses Jahr die von Zentralbanken weltweit geschaffene Liquidität um 140 Milliarden Dollar ansteigt. Noch im August war er von einem Liquiditätsentzug im Volumen von 100 Milliarden Dollar ausgegangen. Hauptgrund für seine massive Prognose-Änderung: Die Geldpolitik im Reich der Mitte.

Dort hatten die Währungshüter unlängst ihren Mindestreservesatz für Banken gesenkt, den diese bei ihr als Sicherheit hinterlegen müssen. Dadurch sollen umgerechnet bis zu 116 Milliarden Dollar im Bankensystem freigesetzt werden, die die Institute über Kredite an Unternehmen weiterreichen können. Damit soll die Wirtschaft der Volksrepublik, die unter Strafzöllen im Zuge des Handelsstreits mit den USA und einer gesunkenen Inlandsnachfrage leidet, angeschoben werden. Der Satz wird um jeweils einen vollen Prozentpunkt auf künftig 13,5 Prozent für Großbanken und 11,5 für kleinere Institute in zwei Schritten verringert.

80 Prozent haben einen strafferen Kurs eingeschlagen

Aber auch in den USA und in Europa nehmen die Konjunktursorgen der Währungshüter zu. Zwar hat die Federal Reserve zuletzt noch ihre Bilanz Monat für Monat um Anleihen im Volumen von rund 50 Milliarden Dollar verringert. Doch sollte die US-Wirtschaft spürbar an Schwung verlieren, könnte sie laut Notenbank-Chef Jerome Powell beispielsweise das Tempo ihres Bilanzabbaus drosseln. Sein Vize Richard Clarida sagte unlängst, die Fed werde reagieren, sollten die globale Konjunkturabschwächung und die Schwankungen an den Finanzmärkten anhalten.

In der Euro-Zone könnte die EZB womöglich ebenso gezwungen werden, angesichts einer spürbaren Abkühlung des Wachstums umzusteuern. Dort war die Wirtschaft im dritten Quartal so schwach expandiert wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr. Aktuell bewegt sich die Euro-Notenbank mit der Einstellung ihrer billionenschweren Wertpapierkäufe langsam in Richtung einer weniger expansiven Geldpolitik. Angesichts der zunehmenden Sorgenfalten haben die Währungshüter auf ihrer jüngsten Zinssitzung aber bereits über die Möglichkeit neuer superbilliger Langfrist-Geldspritzen für Banken gesprochen.

Klar ist allerdings ebenso, dass der Umfang der Geldspritzen des Jahres 2017 erst einmal nicht mehr erreicht wird. Laut der Beraterfirma CrossBorder Capital haben inzwischen weltweit 80 Prozent aller Zentralbanken einen strafferen Kurs eingeschlagen. Noch vor zwei Jahren sorgten sie pro Quartal nach Schätzungen der US-Bank JP Morgan global für Liquidität im Umfang von 500 Milliarden Dollar.

"Nun müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir nicht mehr eine halbe Billion Dollar pro Quartal haben, die den Markt absichern," sagt der Chefinvestmentstratege der Bank, Bob Michele. Analysten gehen davon aus, dass die Geldspritzen in diesem Jahr gerade einmal fünf Prozent der Gelder ausmachen werden, die noch vor zwei Jahren in die Finanzmärkte gepumpt wurden.

(Reuters)