Ziel Russlands hingegen sei, nicht nur eine Aufnahme der Ukraine in die EU und Nato zu verhindern, sondern auch über die Mitgliedschaft anderer Länder zu entscheiden. «In diesem Krieg geht es darum, zu entscheiden, wie Europa aussehen soll. Und die Entscheidung darüber liegt bei Ihnen und mir, nicht beim Kreml», sagte Selenskyj.
In Teilen der Ukraine herrschte in der Nacht auf Freitag wieder Luftalarm, weil Russland Kampfdrohnen gegen Ziele im Nachbarland fliegen liess. Die Ukraine wehrt seit über 20 Monaten eine russische Invasion ab. Sie wird dabei von vielen Ländern unterstützt. Selenskyj dankte für neue Militärhilfen aus Dänemark und den USA.
Selenskyj: Ukraine macht ihre EU-Hausaufgaben
Die Ukraine ist seit 2022 Kandidat für einen EU-Beitritt. In Brüssel wird geplant, noch vor Jahresende offiziell den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu beschliessen. «Der Weg eines jeden Landes in die EU ist Arbeit, die auf Verdiensten und institutioneller Entwicklung beruht», sagte Selenskyj in der Videoschalte zum EU-Gipfel. «Die Ukraine ist dabei, diese Arbeit zu leisten.» Trotz des Krieges fordere Kiew keine Erleichterungen, sondern setze die Empfehlungen der Europäischen Kommission um.
Der Präsident unterzeichnete am Donnerstag ein Gesetz, dass eine besondere Kontrolle über die Vermögensverhältnisse ranghoher Politiker und Staatsbediensteter vorsieht. Das Zurückdrängen der Korruption gilt als wichtige Voraussetzung für eine Annäherung an die EU.
Dank für Hilfe aus Dänemark und den USA
Selenskyj dankte den USA und Dänemark für neue Militärhilfen. Es sei wichtig, dass bei den Feinden der Freiheit nicht die Illusion aufkomme, die Verteidiger der Freiheit hielten einen Rüstungsmarathon nicht durch.
Das neue US-Paket mit seinen 150 Millionen US-Dollar (rund 142 Millionen Euro) umfasst unter anderem AIM-9-Raketen für die Flugabwehr, Stinger-Raketen und Munition für Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars. Dänemark stellt der Ukraine nach Regierungsangaben Artillerie, modernisierte Panzer und Schützenpanzer sowjetischer Bauart sowie Bergungsfahrzeuge und Munition im Wert von umgerechnet rund 500 Millionen Euro zur Verfügung.
Schwierige Lage für Ukrainer in Frontstadt Awdijiwka
Bei der umkämpften Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine hat sich die Lage für die ukrainischen Truppen verschlechtert. «Hier findet eine Schlacht statt, in die der (russische) Feind seine Hauptkräfte wirft», schrieb der gut im Militär vernetzte Journalist Jurij Butussow bei Telegram. Verschiedenen Quellen zufolge hat sich der Nachschubkorridor für die ukrainischen Truppen auf sechs bis acht Kilometer verkleinert.
Von einst über 30 000 Einwohnern sind in der stark zerstörten Industriestadt nur noch etwa 1000 verblieben. Awdijiwka ist bereits mehr als zur Hälfte von russischen Truppen eingeschlossen. Südlich der Stadt verlief seit 2014 die Frontlinie zu den von Moskau unterstützten Separatisten in der Gebietshauptstadt Donezk. Der ukrainische Generalstab teilte am Donnerstagabend mit, im Lauf des Tages seien 14 russische Sturmangriffe abgewehrt worden. Die russische Armee erleidet bei Awdijiwka hohe Verluste, kreist die Stadt aber weiter ein.
Kiew dementiert Berichte über gesperrten Schiffskorridor
Die ukrainische Regierung hat Berichte über eine angebliche Sperrung des Schiffskorridors im Schwarzen Meer dementiert. «Alle bestehenden Routen, die von der ukrainischen Marine eingerichtet wurden, sind gültig und werden von zivilen Schiffen genutzt», teilte das Infrastrukturministerium in Kiew mit. In den Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und Piwdennyj würden derzeit 23 Schiffe beladen.
Mit dem Schiffskorridor trotzt die Ukraine einer russischen Seeblockade. Moskau will seit dem Ende des Getreideabkommens im Juli Schiffsverkehr in und aus der Ukraine über das Schwarze Meer verhindern. Allerdings hat die Ukraine in den letzten Monaten durch Beschuss der besetzten Halbinsel Krim die russischen Kräfte so weit abgedrängt, dass deren Flugzeuge und Schiffe kaum noch im westlichen Schwarzen Meer operieren können.
Ukrainische Wirtschaft wächst stärker als erwartet
Die ukrainische Notenbank hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum trotz des Krieges angehoben. Die Wirtschaft werde in diesem Jahr voraussichtlich um 4,9 Prozent wachsen statt wie bisher angenommen um 2,9 Prozent, teilte die Zentralbank mit. Zugleich sinken die Erwartungen für die Inflationsrate von 10,6 auf 5,8 Prozent. Wirtschaft und Bevölkerung haben sich dem Bericht zufolge inzwischen besser auf den Kriegszustand eingestellt.
Höhere Ernteschätzungen, neue Exportwege und erhöhte Haushaltsausgaben verbessern ebenfalls den Ausblick. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft um 29,1 Prozent eingebrochen. Der ukrainische Haushalt wird zu mehr als 50 Prozent aus dem Ausland finanziert.
Das wird am Freitag wichtig
In Brüssel wird der EU-Gipfel fortgesetzt, der sich neben der Eskalation in Nahost auch mit der Unterstützung für die Ukraine beschäftigt./fko/DP/zb
(AWP)