Tiefe Anlagerenditen, eine steigende Lebenserwartung und eine sinkende Geburtenrate stellen das Schweizer Vorsorgesystem bekanntlich vor Herausforderungen. Welche Anpassungen konkret notwendig sind, war und ist seit Jahren Gegenstand intensiver politischer Diskussionen.

Im September 2017 kam zuletzt das Reformpaket "Altersvorsorge 2020" vor das Stimmvolk – und wurde abgelehnt. Vorgesehen waren etwa eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre, eine flexiblere Pensionierung, ein tieferer Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge und eine leicht höhere AHV-Rente.

Nun aber bleibt alles beim Alten. Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) schreibt in einem Report dazu: "Schweizer Wähler haben in den letzten Jahren alle wichtigen Änderungsvorschläge in der Vorsorge abgelehnt, was darauf schliessen lässt, dass Vorsorgereformen in der Schweiz möglicherweise einen schwereren Stand haben als in anderen Ländern."

Diese Reformträgheit wirkt sich negativ im  "Global Pension Index 2017" des Beratungsunternehmens Mercer aus. Dieser viel beachtete Rentenvergleich wurde bereits zum neunten Mal erstellt und bewertet die Altersvorsorge von 30 Ländern nach den Kriterien Angemessenheit, Nachhaltigkeit  und Integrität. 2017 rutschte die Schweiz von Rang 6 im Vorjahr auf Position 8 ab.

Die besten Rentensysteme 2017

RangLandRating*
1.Dänemark78,9
2.Niederlande78,8
3.Australien77,1
4.Norwegen74,7
5.Finnland72,3
6.Schweden72,0
7.Singapur69,4
8.Schweiz67,6

Quelle: Melbourne Mercer Global Pension Index 2017
*Das Rating geht von 0 (Minimum) bis 100 (Maximum)

"Der Altersvorsorge in der Schweiz fehlt es an Nachhaltigkeit", lautet das wenig schmeichelhafte Fazit von Mercer Schweiz zum Studienresultat. Und in der gleichen Medienmitteilung liefert das Beratungsunternehmen gleich noch drei konkrete Verbesserungs-Empfehlungen für die Schweiz mit:

  • Einführung einer Regelung, nach der ein Teil der Altersleistung als Rente bezogen werden muss
  • Aufhebung der gewährten Steuervergünstigungen auf Kapitalzahlungen im Vergleich zu Renten
  • Steigerung der Wohneigentumsquote

Die ersten zwei Kritikpunkte beziehen sich auf die Barauszahlung der Pensionskassen-Rente, welche gemäss einer aktuellen Studie der Credit Suisse aber aufgrund sinkender Umwandlungssätze sogar noch an Attraktivität gewinnen wird - und die Schweiz im Rentenssystem-Rating künftig weitere Platzierungen kosten könnte.

Darüber hinaus fordert Mercer Schweiz, Dänemark zum Vorbild zu nehmen und die Gründe für den Abstand zum ersten Rang zu analysieren. Doch nicht nur Spitzenreiter Dänemark, auch andere Länder haben im Gegensatz zur Schweiz wichtige Reformen durchsetzen können. Es folgt ein Blick auf drei besonders vorbildliche Rentensysteme:

Dänemark: Erst mit 74 in Rente

Dänemark ist bereits das sechste Jahr in Folge Spitzenreiter im globalen Rentensystem-Vergleich. Obwohl das eigentliche Pensionsalter gegenwärtig bei 65 Jahren liegt, machten in den letzten Jahren viele von der Möglichkeit einer Frühpensionierung ab Alter 60 Gebrauch. Das führte einerseits zu einem Fachkräftemangel und setzte andererseits das Rentensystem unter Druck. Die Folge war eine radikale Rentenreform: Schrittweise wird nun das Rentenalter auf 67 erhöht und ab dem Jahr 2024 an die Lebenserwartung geknüpft.

Ab dann soll das Rentenalter grob "Lebenserwartung minus 15 Jahre" betragen. Wie Schätzungen des dänischen Arbeitsministeriums zeigen, wird dadurch das Renteneintrittsalter 2035 bei 69 Jahren und 2065 sogar bei 74 Jahren liegen. Die Dänen müssen zwar länger arbeiten, jedoch kann so die Rente langfristig gesichert werden. Ungeklärt bleibt die Frage, ob ein über 70-jähriger dann auch tatsächlich eine Beschäftigung finden wird. Die Schweiz hingegen hält bis auf weiteres am Pensionsalter 65 für Männer und 64 für Frauen fest.

Australien: Freie Wahl der Pensionskasse

Auch Australien hat, wie übrigens rund die Hälfte aller OECD-Länder, den Pensionierungszeitpunkt nach oben gesetzt. Bis 2023 wird das ordentliche Rentenalter auf 67 Jahre erhöht. Darüber hinaus können australische Arbeitnehmer - im Gegensatz zu den Schweizern - ihre Pensionskasse frei wählen.

Als Folge der freien Pensionskassenwahl sind Australier meist sehr gut über ihre Vorsorgesituation informiert, ausserdem weisen die verschiedenen Pensionskassen eine hohe Transparenz bezüglich Kosten und Erträgen auf. Auf verschiedenen Vergleichsseiten kann die Performance der Anbieter verglichen werden. 2017 wiesen diverse australische Pensionskassen Renditen von über 10 Prozent auf. In der Schweiz hingegen bewegten sich die Renditen meist auf einem tieferen Niveau, im Schnitt bei 7,8 Prozent.

Die freie Wahl hat auch ihre Schattenseiten: Verzeinzelt gibt es Betrugsfälle, zwecks Kundenakquirierung kommt es zu lästigen Werbeanrufen, ausserdem sind einige Arbeitnehmer mit der Pensionskassenwahl schlicht überfordert. Nichtsdestotrotz sprachen sich in einer cash-Umfrage im November 2017 76 Prozent der knapp 2‘500 Teilnehmenden für eine freie Wahl der Pensionskasse in der Schweiz aus.

Schweden: Automatische Anpassung der Rentenhöhe

Schweden geht einen anderen Weg, um die Finanzierung zu gewährleisten: Die demographische sowie die wirtschaftliche Entwicklung setzen die Höhe der Rente fest. Jahrgänge mit einer höheren Lebenserwartung erhalten kleinere monatliche Renten für dasselbe Altersguthaben. Gemäss einer Faustregel muss ein Schwede bei der Erhöhung der Lebenserwartung um ein Jahr acht Monate länger arbeiten, um wieder auf die gleiche Rente zu kommen. Darüber hinaus gibt es kein starres Rentenalter, der Rentenbeginn kann vielmehr zwischen Alter 61 bis 67 gewählt werden. Wobei diese Spanne ab 2026 auf 64 bis 69 Jahre angepasst werden soll. Wer früh in Pension geht, muss aber entsprechend eine Renteneinbusse in Kauf nehmen.

Die Renten werden auch nach unten korrigiert, wenn die Rentenausgaben die Renteneinnahmen übersteigen, also eine Unterdeckung des Fonds besteht. Die Rentenkorrektur erfolgt nach rein mathematischen Regeln und ist nicht politisch gefärbt.

Genau festgelegte Anpassungsmechanismen könnten auch der Schweiz helfen, das häufig emotional geladene Thema "Vorsorge" etwas nüchterner zu betrachten. Gewichtige Reformen, gerade im Vorsorgebereich, sind aber in der direktdemokratischen Schweiz schlicht und einfach schwieriger durchsetzbar.