Mit der insolventen Wirecard werden die Dax-Anleger voraussichtlich noch eine Weile leben müssen. Erst wenn am 3. September die Börsenindizes regulär überprüft werden, fällt der abgestürzte Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München wegen seiner Insolvenz, aber auch wegen des eingebrochenen Börsenwertes wohl aus dem Dax. Am Donnerstag war Wirecard an der Börse nur noch rund 350 Millionen Euro wert - beim Aufstieg vor knapp zwei Jahren waren es fast 25 Milliarden. Doch einen früheren Abschied oder Rauswurf der Aktie gibt das Regelwerk der Börse nicht her.

Eine Einzelfallregelung sei nicht möglich. "Die Deutsche Börse setzt konsequent die bestehenden Regelwerke und die gesetzlichen Vorgaben um", betonte ein Sprecher. Schliesslich müssten die Marktteilnehmer wissen, was auf sie zukommt. Eine Änderung der Regeln sei zwar möglich, "auch vor dem Hintergrund der Dynamik der vergangenen Wochen und Monate. Auch Ereignisse von einzelnen Dax-Werten fliessen in unsere Überlegungen ein", sagte der Sprecher. Die Börsenindizes sollen schliesslich die ökonomische Realität widerspiegeln - wer in den Dax investiert, will die bedeutendsten deutschen Firmen kaufen. Doch vor einer Änderung müssten wichtige Marktteilnehmer gefragt werden - und das kann dauern.

Sofortiger Ausschluss unwahrscheinlich

Dabei hat die Börse für den Fall einer Insolvenz sogar vorgesorgt: Doch auf Seite 42 des 88-seitigen Leitfadens heisst es ausdrücklich, dass Unternehmen nach einer Insolvenzanmeldung erst zum nächsten Überprüfungstermin - in diesem Fall also im September - aus dem Index genommen werden. Ein sofortiger Ausschluss wäre danach nur möglich, wenn die Insolvenz mangels Masse abgelehnt oder das Unternehmen liquidiert würde - beides ist aber bis dahin nicht zu erwarten.

Voraussetzung für einen Platz im Dax ist die Mitgliedschaft im streng regulierten Prime Standard der Deutschen Börse. Doch dort könnte Wirecard den Platz nur freiwillig räumen - was Insolvenzverwalter oft im Laufe des Verfahrens veranlassen, um Geld zu sparen. Doch auch das würde den Dax-Abschied nicht beschleunigen: Die Kündigung wird nach der Börsenordnung erst nach drei Monaten wirksam.

Dass Wirecard - mangels Testat - seinen Geschäftsbericht für das vergangene Jahr nicht vorgelegt hat und das in der Insolvenz auch auf absehbare Zeit nicht wird tun können, hat für die Dax-Mitgliedschaft ebenfalls keine Folgen: "Verstösse gegen die Zulassungsfolgepflichten haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Mitgliedschaft in einem Dax-Index", betonte ein Sprecher der Börse. Ein Ausschluss aus dem Prime Standard sei nur möglich, wenn ein Unternehmen "wiederholt, also über mehrere Jahre, seine Jahresabschlüsse nicht vorlegt".

(Reuters)