Dies haben Clifford Asness von AQR Capital Management und Aaron Brown vom Courant Institut der Universität New York in einem aktuellen Arbeitspapier nachgewiesen.

Den Ausgangspunkt ihrer Studie bildet die Entscheidung von Eishockeytrainern, den Torwart aus dem Spiel zu nehmen und durch einen zusätzlichen Feldspieler zu ersetzen. Diese Entscheidung treffen Eishockeytrainer normalerweise gegen Ende des Spiels immer dann, wenn ihre Mannschaft ein oder zwei Tore zurückliegt. Durch den zusätzlichen Feldspieler steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen. Zugleich steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, ein Gegentor zu bekommen, weil der Gegner nur ins leere Tor treffen muss. Trotzdem ist es rational, den Torwart aus dem Spiel zu nehmen, weil die erhöhte Wahrscheinlichkeit, den Ausgleich zu erzielen, wertvoller ist als der in Kauf genommene Nachteil, der durch einen weiteren Gegentreffer entsteht.

Aufbauend auf umfangreichen Daten aus der nordamerikanischen Profiliga NHL zeigen Asness und Brown, dass die Entscheidung, den Torwart gegen einen Feldspieler zu ersetzen in der Regel viel zu spät erfolgt. Hierzu berechnen sie zunächst die Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer Zehn-Sekunden Zeitspanne ein Tor zu erzielen. Diese beträgt 0,65 Prozent, wenn beide Mannschaften jeweils fünf Feldspieler und einen Torwart auf dem Eis haben. Sobald ein Team seinen Torwart gegen einen Feldspieler ersetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Team innerhalb eines Zehn-Sekunden-Intervalls ein Tor erzielt, auf 1,18 Prozent. Zugleich erhöht sich aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass die gegnerische Mannschaft innerhalb eines Zehn-Sekunden-Intervalls ein Tor erzielt, auf 2,58 Prozent.

Während also die Entscheidung des Trainers, den Torwart gegen einen weiteren Feldspieler auszuwechseln, die eigene Torquote annähernd verdoppelt, vervierfacht sich die Torquote des Gegners. Da es aber nicht auf die Torquoten, sondern auf die Wahrscheinlichkeit, eine Niederlage zu vermeiden, ankommt, macht der Wechsel durchaus Sinn.

Mit Hilfe der berechneten Torwahrscheinlichkeiten ermitteln die Forscher im zweiten Schritt den optimalen Zeitpunkt für die Herausnahme des Torwarts. Dieser Zeitpunkt liegt bei einem Ein-Tore-Rückstand bei 5:40 Minuten vor Spielende, bei einem Zwei-Tore-Rückstand sogar 11:40 Minuten vor Spielende. Diese Werte sind weit von der Entscheidungspraxis entfernt. Bei einem Ein-Tore-Rückstand nehmen die meisten Eishockeytrainer ihren Torwart erst innerhalb der letzten zwei Minuten vom Eis.

Asness und Brown zufolge hat dieser Entscheidungsfehler vor allem zwei Ursachen. Die erste liegt darin begründet, dass ein Trainer nicht in erster Linie für den sportlichen Erfolg bezahlt wird, sondern vor allem für seinen Ruf, ein guter Trainer zu sein. Sportlicher Erfolg und Reputation hängen zwar eng zusammen, sind aber nicht deckungsgleich. Wie bereits John Maynard Keynes wusste, lehrt uns die weltliche Weisheit, dass es für den Ruf besser ist, konventionell zu versagen, als unkonventionell erfolgreich zu sein.

Die zweite Ursache besteht darin, dass Handlungsfehler in der Regel viel schwerer wiegen als Unterlassungsfehler. Falls ein Trainer seinen Torwart bei einem Ein-Tore-Rückstand sechs Minuten vor dem Ende vom Eis holt und anschliessend mit drei Toren Unterschied verliert, wird er viel heftiger kritisiert, als wenn er den Torwart erst ein bis zwei Minuten vor Schluss vom Eis nimmt und knapp verliert. Im ersten Fall wird die Niederlage dem Trainer angelastet, im zweiten Fall stehen eher die Spieler im Kreuzfeuer der Kritik.

Diesbezüglich gibt es starke Parallelen zu Fondsmanagern. Für Fondsmanager ist es gefährlich, unkonventionelle Anlagestrategien zu verfolgen, selbst wenn hierdurch langfristig ein besseres Verhältnis von Risiko zu Ertrag erzielt wird. Wenn mit dieser unkonventionellen Anlagestrategie nämlich kurzfristige Rückschläge erzielt werden, leidet der Ruf des Managers und er droht seinen Job zu verlieren. Besser ist es, mit einer konventionellen Anlagestrategie zu versagen, da in diesem Fall die allgemeine Marktentwicklung und nicht die (In-)Kompetenz des Fondsmanagers als Ursache für den Misserfolg angesehen wird.

Eine weitere Parallele besteht darin, dass Eishockeytrainer ihre Entscheidung, den Torwart vom Eis zu nehmen, aus den gleichen Gründen hinauszögern, aus denen Investoren zögern, sich von Fehlinvestitionen zu trennen. Durch einen zusätzlichen Feldspieler erhöht sich zwar die Wahrscheinlichkeit, den Anschluss- bzw. Ausgleichstreffer zu erzielen. Zugleich erhöht sich aber auch die Gefahr, einen weiteren Gegentreffer zu bekommen und das Spiel deutlich zu verlieren. Letzteres möchten die Trainer vermeiden und zögern deshalb zu lange damit, den Torwart vom Eis zu nehmen. Analog hierzu halten die meisten Investoren viel zu lange an Fehlinvestitionen fest, weil sie aus psychologischen Gründen die Realisierung ihrer Verluste möglichst lange hinauszögern wollen.

Am Ende ihres Arbeitspapieres verweisen Asness und Brown noch auf eine wichtige Einschränkung ihrer Eishockeyanalyse. Bei der Berechnung des optimalen Zeitpunktes für die Auswechslung des Torwarts haben sie nämlich stets unterstellt, dass die Maximierung des sportlichen Erfolgs das Zielkriterium ist. Sobald man jedoch davon ausgeht, dass im Profieishockey nicht der sportliche, sondern der finanzielle Erfolg an oberster Stelle steht, ist es besser, den Torwart erst kurz vor Ende vom Eis zu nehmen. Damit bleibt das Spiel nämlich länger spannend und die Zuschauer zappen nicht auf einen anderen Kanal.

Trotz dieser Einschränkung liefert die Studie eine Reihe interessanter Einsichten, und zwar sowohl aus sportlicher als auch aus Investorensicht.