Zahlreiche Pensionskassen zwingen ihre Mitglieder, den überobligatorischen Teil des Altersguthabens bar zu beziehen. Die Vorsorgeeinrichtungen nutzen den bestehenden Spielraum, um die neue Realität mit tiefen Zinsen am Kapitalmarkt und einer fortschreitenden demografischen Alterung besser abzubilden.

Trotzdem bleibt die Rente das bevorzugte Modell. 51 Prozent setzen auf eine fixe monatliche Auszahlung bis zum Lebensende, 31 Prozent entscheiden sich für das Kapital, der Rest wählt eine Mischform. Setzt man aber die Anzahl Kapitalbezüger ins Verhältnis zur Entwicklung der Bevölkerung, welche jedes Jahr potenziell in Rente gehen könnte, ist keine klare Tendenz zu einem häufigeren Kapitalbezug auszumachen. 

Mit dem Bezug des Alterskapitals entsteht mehr Flexibilität bei der Finanzplanung. Das Geld kann nach den individuellen Bedürfnissen verzehrt, vererbt oder verschenkt werden. Allerdings muss sich der Pensionär auch selbst um das sprunghaft gestiegene Vermögen kümmern. Sämtliche Risiken gehen auf ihn über. Dazu zählen in erster Linie die steigende Lebenserwartung und die Unsicherheit über den zukünftigen Ertrag aus der Vermögensanlage.

Weniger Vorsorgeverpflichtungen

Gemäss Berechnungen von Vorsorgeexperten ist beim Bargeldbezug ein um rund 50 Prozent höheres Kapital notwendig, damit die gleiche Sicherheit wie mit einer Rente bis zum Lebensende besteht. Der Grund: Ein Versicherter muss beim Kapitalbezug sicherheitshalber davon ausgehen, dass er 90 Jahre oder älter wird. Hingegen kalkuliert die Pensionskasse mit einem Durchschnittsalter ihrer Neurentner von lediglich 80 Jahren. Sie kann Gewinne, die bei Personen entstehen, welche früh sterben, zur Deckung der Kosten derjenigen nehmen, die sehr alt werden.

Aus der Sicht eines Unternehmens ist der Kapitalbezug interessant. Börsenkotierte Firmen, die nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS bilanzieren, möchten möglichst geringe Risiken im Rentenbereich anhäufen. Bei den aktuell tiefen Zinsen steigen die Pensionsverpflichtungen. Mit IFRS-Abschlüssen müssen diese Fehlbeträge als Schulden in der Bilanz erfasst werden. Entsprechend achten grosse Konzerne mit einer globalen Geschäftstätigkeit darauf, niedrige Vorsorgeverpflichtungen in ihren Büchern zu führen.

Bevorzugt werden zweigeteilte Alterspläne. Als Basis die obligatorische berufliche Vorsorge mit einer Rente. Dazu eine zweite Kasse für besserverdienende Kader und Spezialisten mit einer obligatorischen Barauszahlung bei der Pensionierung.

Neue Modelle

In der jüngsten Vergangenheit wurden auch neue Modelle für eine zeitlich begrenzte Rente im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge entwickelt. Vorbild sind ausländische Beispiele mit Zeitrenten, über die nun auch in der Schweiz vermehrt diskutiert wird. Konkret hat das Pensionskassen-Beratungsunternehmen Willis Towers Watson einen Ansatz vorgestellt, bei dem der Rentner die Bezugsdauer selbst bestimmt.

Je nachdem, ob er sich für 15, 20 oder 25 Jahre entscheidet, hat dies einen direkten Einfluss auf die Höhe der monatlichen Rente. Nach Ablauf der Bezugsdauer erhält der Versicherte die kumulierten Zinsen als Abschlusszahlung ausgeschüttet. Tritt der Todesfall vor Ablauf der festgelegten Bezugsdauer ein, wird das vollständige Restguthaben an die Hinterbliebenen ausbezahlt.

Für die Pensionskassen schafft das neue Modell eine erhöhte Planbarkeit und minimiert gleichzeitig das Zins- und Langlebigkeitsrisiko. Aus der Sicht von Arbeitnehmerorganisationen wird jedoch bei der Zeitrente das Risiko auf die einzelnen Versicherten überwälzt. Klar ist aber auch: Weil sich diese Zeitrente lediglich auf den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge bezieht, gilt der Ansatz nur für Versicherte mit einem Jahreslohn über 85'320 Franken. Die Grundversorgung aus AHV und obligatorischem Teil der beruflichen Vorsorge bleibt unverändert bestehen.

Obwohl das Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» – mit einer vorgesehenen Reduktion des Umwandlungssatzes im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge von 6,8 Prozent auf 6 Prozent – vom Volk abgelehnt worden ist, bleibt der Druck auf eine Absenkung des Umwandlungssatzes bestehen. Bereits heute liegen die Umwandlungssätze bei vielen umhüllenden Pensionskassen, mit obligatorischem und überobligatorischem Teil eingeschlossen, lediglich noch zwischen 5 Prozent und 5,5 Prozent. Einzelne Vorsorgeeinrichtungen rechnen bereits mit Sätzen unter 5 Prozent. Wer sich bei der Pensionierung für das Kapital entscheidet, hat dieses Problem einer niedrigeren Rente nicht.

Sicherheit mit Rente

Allerdings: Auch mit der weiteren Senkung des Umwandlungssatzes bleibt die Rente angesichts von Null- und Negativzinsen attraktiv. Selbst für professionelle Vermögensverwalter ist es derzeit äusserst schwierig, eine ansprechende Rendite zu erzielen. Um die durchschnittliche Lebenserwartung von zwanzig Jahren ab dem Zeitpunkt der Pensionierung finanziell ausreichend abdecken zu können, ist eine jährliche Rendite von mindestens 4 Prozent notwendig. Im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld ist das eine anspruchsvolle Aufgabe.

Mit der Rentenzahlung entscheidet sich der Pensionär für ein regelmässiges Einkommen, das bis zum Lebensende garantiert ist. Es gibt einzig das Risiko, dass eine Vorsorgeeinrichtung irgendwann die Rente nicht mehr bezahlen kann. Dies wird allerdings durch den Sicherheitsfonds bis zu einer recht grosszügig bemessenen Grenze rückversichert. 

Als weitere Option bietet sich eine Mischung zwischen Rente und Kapital an. Meist können die Versicherten selbst bestimmen, welchen Anteil ihres Altersguthabens sie als Rente oder Kapital beziehen möchten. Der Gesetzgeber verpflichtet die Pensionskassen, einen Kapitalbezug von mindestens 25 Prozent vorzusehen. Bei der Aufteilung des Altersguthabens dient die Rente zur Absicherung der Grundbedürfnisse. Mit dem bezogenen Bargeld kann man sich darüber hinaus zusätzliche Ausgaben leisten. Der längere Zeithorizont ermöglicht es, diese Gelder teilweise in risikoreicheren Anlagen wie Aktien zu investieren. Wichtig ist bei der Beurteilung aller Möglichkeiten eine möglichst detaillierte Finanzplanung für den dritten Lebensabschnitt. Ganz zuoberst steht dabei letztlich die persönliche Risikofähigkeit.

Diese Beitrag erschien zuerst in der «Schweizer Versicherung» unter dem Titel «Beliebter Kapitalbezug».