Frachtschiffe und Öltanker umfahren die Insel, um eine Konfrontation mit dem chinesischen Militär zu vermeiden, wie Analysten und Schiffseigner am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters bestätigten. Das verlängere die Fahrtzeit um etwa einen halben Tag.

"Solange die Schiffe um Taiwan herumfahren können, werden die Störungen den Handel mit Deutschland nicht spürbar beeinträchtigen", gab der Handelsexperte des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Vincent Stamer, im Gespräch mit Reuters zumindest teilweise Entwarnung. "Eine Umfahrung Taiwans bedeutet auf der Strecke Shanghai – Hamburg nur einen Umweg von etwa ein bis zwei Prozent. Der Containerschiffstau in der Nordsee wiegt schwerer." Dort warten derzeit 24 Containerschiffe auf ihre Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven.

China hatte nach dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan mit beispiellosen Militärmanövern begonnen, die auf mehrere Tage angesetzt sind. Unter anderem feuerte die Volksrepublik Raketen ab. Geschosse schlugen in den Gewässern nördlich, südlich und östlich von Taiwan ein. Zuletzt gab es so etwas 1996. China kritisiert den Pelosi-Besuch scharf und betrachtet die auf Unabhängigkeit beharrende Insel als Teil ihres Staatsgebiets und behält sich das Recht vor, Taiwan auch mit Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen.

Konflikt um Taiwan kann den Welthandel beeinträchtigen

Ein militärischer Konflikt um Taiwan kann den Welthandel beeinträchtigen, denn die 180 Kilometer breite Taiwanstraße und eine Route im Osten der Insel sind wichtig für Schiffe, die Waren aus Ostasien in die USA und nach Europa transportieren. "Einige Schiffe haben bereits Vorsichtsmaßnahmen getroffen und fahren östlich der Insel statt durch die Taiwanstraße", sagte Niels Rasmussen, Chefanalyst des Reedereiverbandes BIMCO.

Die Störungen in den chinesischen Häfen, die durch die Corona-Lockdwons verursacht wurden, haben monatelang die globalen Lieferketten durcheinandergewirbelt. "Auch wenn die Maßnahmen Chinas den Seefrachtverkehr bisher noch nicht nennenswert beeinträchtigt haben, könnte dies bei einer längeren Version durchaus der Fall sein", sagte der Chef des Datenanbieters Freightos Shipping Index, Zvi Schreiber. "Regionale Konflikte könnten Schiffe dazu zwingen, alternative Routen zu nehmen, was die Transitzeit verlängert, Fahrpläne durcheinanderbringt und weitere Verzögerungen und Kosten verursacht."

Auch Fluggesellschaften haben Flüge in Taiwans Hauptstadt Taipeh gestrichen und andere umgeleitet, um den nahe gelegenen Luftraum zu meiden, der während der chinesischen Militärübungen für den zivilen Verkehr gesperrt wurde. China, das Taiwan als Teil seines Territoriums beansprucht, reagierte auf den Pelosi-Besuch mit der Stationierung von Kampfjets, Bombern und Kriegsschiffen in der Meerenge und rund um die Insel, um seine militärische Stärke und seine Ansprüche zu demonstrieren.

Nach den Worten von Anoop Singh vom Schiffsrisikomanager Braemar haben große Öltankereigner die Sicherheitswarnstufen erhöht, zudem leiten sie die Schiffe um. Schifffahrtsversicherer haben ebenfalls Warnungen an ihre Mitglieder verschickt, in denen sie zur Vorsicht bei der Navigation um Taiwan raten. Obwohl Tanker und Containerschiffe immer noch normal in Taiwan anlegten, warnten Analysten, dass selbst geringfügige Verzögerungen für Schiffe besorgniserregend seien, da der Welthandel immer noch unter den Pandemie-Folgen leide. "Da die Schiffe zur Umgehung der Spannungen und nicht zur Beschleunigung des Handels eingesetzt werden, ist dies ein Schritt in die falsche Richtung - und bedeutet weitere Schwierigkeiten für die Lieferketten", sagte der Chefanalyst der Seefrachtplattform Xeneta, Peter Sand. 

(Reuters)