"Es ist uns bereits gelungen, einen Teil des nach dem 24. Februar besetzten Territoriums zu befreien", sagte Selenskyj in der Nacht zum Sonntag in seiner täglichen Videoansprache. "Nach und nach werden wir auch andere Regionen unseres Landes befreien, die zurzeit besetzt sind."

Knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn hatte die Ukraine zuletzt Gegenoffensiven im Süden gestartet. Bei der Rückeroberung besetzter Gebiete sollen auch westliche Waffen zum Einsatz kommen. Die russischen Invasionstruppen konzentrieren ihre Angriffe hingegen auf den als Donbass bezeichneten Osten des Landes. Nach der Einnahme der Region Luhansk wollen sie als nächstes das Gebiet Donezk komplett ukrainischer Kontrolle entreissen.

Massiver Artilleriebeschuss in Umgebung von Slowiansk

Der Generalstab in Kiew teilte am Sonntag mit, es habe in der Umgebung der Stadt Slowjansk im östlichen Gebiet Donezk massiven russischen Artilleriebeschuss auf militärische und auf zivile Infrastruktur in verschiedenen Ortschaften gegeben. Russische Angriffe seien jedoch erfolgreich abgewehrt worden.

Auch in Richtung der Orte Siwersk und Bachmut im Gebiet Donezk habe das russische Militär erneut massiv mit Artillerie gefeuert. Dutzende Ortschaften seien von den Angriffen betroffen gewesen. "Angesichts der grossen Verluste in den eigenen Reihen ist die Mehrheit der Einheiten der Besatzungsstreitkräfte in einem sehr schlechten moralisch-psychologischen Zustand und sucht nach einer Möglichkeit, der Teilnahme an den weiteren Kampfhandlungen zu entgehen", hiess es im Bericht des ukrainischen Generalstabs weiter. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Moskau: Westliche Waffen zerstört

Das russische Militär gab unterdessen an, von den USA und anderen Nato-Staaten gelieferte Waffen zerstört zu haben. In Odessa am Schwarzen Meer sei ein Depot mit Harpoon-Raketen und im Gebiet Donezk ein von den USA gelieferter Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars vernichtet worden, teilte der Sprecher der russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag in seinem täglichen Briefing mit.

Auch diese Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Experten weisen darauf hin, dass die Himars-Systeme nur schwer zu orten und zu zerstören seien. Die Harpoon-Raketen wurden nach ukrainischen Angaben zuletzt immer wieder gegen die russische Kriegsmarine eingesetzt. Als erfolgreich bezeichneten die Ukrainer auch den Einsatz von Himars.

In der Region Charkiw hätten die russischen Streitkräfte einen Kampfjet vom Typ Suchoi Su-25 sowie in der Region Slowjansk einen Kampfhubschrauber vom Typ Mi-17 abgeschossen. Im Gebiet Charkiw seien zudem etwa 200 ukrainische Soldaten bei den Angriffen getötet worden, sagte Konaschenkow.

London: Moskau nimmt Bedrohung durch Gegenoffensive ernst

Moskau nimmt nach Ansicht von britischen Geheimdienstexperten die Gefahr für seine Truppen in der Ukraine durch Gegenoffensiven der Verteidiger ernst. Russland verstärke seine defensiven Positionen im Süden der Ukraine, hiess es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag. "Das beinhaltet die Bewegung von Personal, Material und defensiver Vorräte zwischen Mariupol und Saporischschja sowie in Kherson." Die russischen Truppen verstärkten zudem auch ihre Sicherheitsmassnahmen in der besetzten südukrainischen Stadt Melitopol, hiess es weiter in der Mitteilung auf Twitter.

Angesichts des Personalmangels, unter dem die russischen Truppen zu leiden hätten, zeige eine Truppenverstärkung im Süden bei gleichzeitigem Kampf um den Donbass im Osten, wie ernst die Russen die Gefahr durch eine Gegenoffensive nähmen, so das Fazit der britischen Experten.

Papst fordert Rückkehr an Verhandlungstisch

Papst Franziskus rief unterdessen zu Verhandlungen auf. "Wie kann man nur nicht verstehen, dass Krieg nur Zerstörung und Tod schafft, das Volk trennt sowie die Wahrheit und den Dialog tötet", fragte das katholische Kirchenoberhaupt am Sonntag nach dem traditionellen Angelus-Gebet vor Gläubigen und Besuchern in Rom. "Ich bete und hoffe, dass alle internationalen Akteure anfangen, die Verhandlungen wiederaufzunehmen und nicht die Sinnlosigkeit des Krieges nähren", sagte der 85 Jahre alte Argentinier weiter.

Der Pontifex plant, wegen des Krieges in die ukrainische Hauptstadt Kiew zu reisen. Einen Termin gibt es dafür allerdings noch nicht. Hohe Vertreter des Vatikans, wie die Nummer Zwei, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, oder der Quasi-Aussenminister, Erzbischof Paul Richarda Gallagher, haben das Vorhaben des Heiligen Vaters bereits bestätigt.

(AWP)