Noch vor der Landung erhöhte Chinas Volksbefreiungsarmee die Drohkulisse mit Manövern, Schiessübungen, dem Einsatz von Militärflugzeugen und Kriegsschiffen nahe Taiwan und sperrte Seegebiete. Unmittelbar zuvor berichtete das chinesische Staatsfernsehen, dass Kampfflieger vom Typ Su-35 den Meeresweg der Taiwanstrasse überflogen. Wie viele es waren und welches Ziel sie hatten, wurde nicht mitgeteilt.

Als Reaktion auf die militärischen Muskelspiele hatte Taiwans Militär zuvor schon seine Kampfbereitschaft erhöht, wie die Nachrichtenagentur CNA berichtete. Es handele sich in dem zweistufigen Alarmsystem aber noch nicht um eine Einstufung für den "Ernstfall", sondern weiter um eine "normale Einsatzbereitschaft".

Pelosis Besuch im Rahmen einer Asien-Reise war bis kurz zuvor nicht offiziell bestätigt worden. Am Mittwoch will die 82-Jährige nun Präsidentin Tsai Ing-wen treffen. Auch waren Gespräche im Parlament geplant, wie ein Abgeordneter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Der Besuch der Nummer Drei der USA - nach Präsident und Vizepräsidentin - gilt in Taiwan als willkommene Aufwertung. Zudem wird er als Rückschlag für Peking gewertet, das Taiwan international zu isolieren sucht.

Pelosis Flugzeug machte nach Medienberichten auf dem Weg von Malaysia einen Umweg um das von China weitgehend kontrollierte Südchinesische Meer, um östlich von den Philippinen kommend nach Taiwan zu fliegen. China hatte Gegenmassnahmen angekündigt und militärische Aktionen angedeutet. In Staatsmedien wurde sogar diskutiert, ob auch gegen ihr Flugzeug vorgegangen oder Raketentests unternommen werden könnten.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat am Donnerstag noch vor dem Besuch gewarnt: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen." Aus Sicht der chinesischen Führung gehört Taiwan zur Volksrepublik, obwohl es schon vor deren Gründung 1949 eigenständig regiert war. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel versteht sich auch schon lange als unabhängig. Chinas Präsident sieht es als seine "historische" Mission an, die "Vereinigung" zu erreichen und droht mit Eroberung.

Der Machtanspruch auf die Insel geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik zurück, was die grosse Bedeutung für die Kommunistische Partei erklärt. Am Ende des Bürgerkrieges gegen die Kommunisten war die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan geflüchtet, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik ausriefen. Die Insel hat wegen ihrer Lage an wirtschaftlich wichtigen Meeresstrassen geostrategische Bedeutung und wurde von US-Generälen früher auch gerne als "unsinkbarer Flugzeugträger" beschrieben.

Chinas Aussenamtssprecherin Hua Chunying warf den USA "Provokationen" vor und drohte mit "energischen und resoluten Massnahmen". Die USA würden "einen Preis zahlen". Die Beziehungen zwischen China und den USA "stehen fast auf des Messers Schneide", schrieb die parteinahe Zeitung "Global Times". "Die Gegenmassnahmen, die das Oberkommando für Pelosis möglichen Taiwan-Besuch vorsieht, müssen um ein Vielfaches rigoroser und umfassender sein, als man es sich vorstellen kann. Chinas Warnung an die USA ist kein leeres Gerede."

Das Weisse Haus warnte Peking vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Sicherheitsrats, John Kirby. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern."

Der Besuch ändert nach seinen Angaben auch "nichts" an der China-Politik der USA. So unterhalten die USA keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter Chinas. Der Besuch der Demokratin ist der höchste aus den USA seit der Visite ihres republikanischen Amtsvorgängers Newt Gingrich 1997. Damals - kurz vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China - fiel die chinesische Reaktion gemässigt aus. Gingrich war zuvor in Peking./lw/cy/dme/DP/ngu

(AWP)