Zum zweiten Mal in Folge erhöhte die Fed am Mittwoch ihren Leitzins um 0,75 Prozentpunkte. Fed-Chef Jerome Powell deutete weitere Erhöhungen in dieser Grössenordnung an. In der grössten Volkswirtschaft der Welt wächst damit gleichzeitig die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung. "Ich glaube nicht, dass sich die USA derzeit in einer Rezession befinden", beschwichtigte Powell. Doch ein etwas langsameres Wachstum sei notwendig. Die Frage ist, ob dieser Balanceakt gelingt.

 

 

Mit Spannung wird nun die neue Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das zweite Quartal an diesem Donnerstag erwartet. Die US-Wirtschaft war im Winter überraschend geschrumpft. Vieles deutet darauf hin, dass es nun wieder zu einer rückläufigen Wirtschaftsleistung gekommen ist. Schrumpft die Wirtschaft zwei Vierteljahre in Folge zum Vorquartal, sprechen Ökonomen von einer "technischen Rezession". Powell mahnte, die neuen Zahlen zum Wirtschaftswachstum aber mit Vorsicht zu geniessen. Eine Rezession ist seiner Auffassung nach nicht unausweichlich.

Auch im Weissen Haus ist man bemüht, die anstehende Schätzung nicht zu hoch zu hängen. Es gebe viele Faktoren, die zu berücksichtigen seien, betonte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre. Sie verwies etwa auf den starken Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote liegt in den USA aktuell auf ähnlich niedrigem Niveau wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020. Biden brüstet sich gern mit diesen Werten - gleichzeitig leiden seine Zustimmungswerte unter den hohen Verbraucherpreisen.

Bereits die vierte Erhöhung

"Es ist nicht der Präsident, der die Inflation verursacht hat. Es gibt auch externe Faktoren, die uns dorthin geführt haben, wo wir heute sind", betonte Jean-Pierre etwa mit Blick auf die hohen Energiepreise und Probleme bei Lieferketten wegen der Corona-Lockdowns in China. Die Teuerungsrate in den USA ist mit 9,1 Prozent so hoch wie seit rund vier Jahrzehnten nicht mehr. Damit liegt sie weit entfernt von jenen zwei Prozent, die sich die Fed eigentlich zum Ziel gesetzt hat. Daher setzen die Zentralbanker nun auf eine straffe Geldpolitik - und könnten damit den Aufschwung weiter abwürgen.

 

 

Der aktuelle Zinsschritt ist bereits die vierte Erhöhung in diesem Jahr. Erst im Juni hatte die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Es war der grösste Zinsschritt seit 1994, also seit fast 30 Jahren. Mit den deutlichen Zinserhöhungen in kurzer Folge legt die Fed im Kampf gegen die Inflation ein Tempo vor wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das ist nicht ohne Risiko. Erhöhungen des Leitzinses durch die Notenbank verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum, da sich etwa Kredite verteuern.

"Wenn wir es jetzt nicht in den Griff bekommen, erhöht das nur die Kosten, später damit fertig zu werden", mahnte Powell mit Blick auf die Inflation. "Wir wollen keine Rezession, und wir glauben auch nicht, dass wir eine haben müssen. Wir glauben, dass es einen Weg gibt, die Inflation zu senken und gleichzeitig einen starken Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten."

Ganz ohne Schmerzen wird das aber wohl nicht funktionieren. Besonders kleinere Unternehmen dürften unter höheren Zinsen leiden. Sie haben einen geringeren Cashflow und sind eher auf teure Kredite angewiesen. An den Börsen hingegen setzte sich nach Powells Worten eher die Erleichterung durch. Einige Aussagen Powells machten den Anlegern trotz des hohen Zinsschrittes Mut - etwa, dass der Fed-Chef betonte, die Entwicklung von Sitzung zu Sitzung neu zu betrachten. Einige Finanzmarktakteure werteten dies offenbar als leichte Abschwächung der zuvor restriktiven Wortwahl der Fed. Die nächste Entscheidung steht im September an.

(AWP)