Der Nahrungsmittelriese Nestlé greift den Konsumenten immer tiefer in die Tasche. Im ersten Halbjahr schraubte der Hersteller von Nespresso, KitKat und Perrier seine Preise um durchschnittlich 6,5 Prozent hoch, wie der Schweizer Konzern am Donnerstag mitteilte.

In der Vorjahresperiode hatte sich der Anstieg auf lediglich 1,3 Prozent belaufen. Nestlé wolle mit den Erhöhungen die "beispiellose" Verteuerung der Rohstoff-, Verpackungs-, Fracht- und Energiekosten abfedern. Nestlé sei aber bereit, einen Teil der Inflation selbst zu schultern und einen vorübergehenden Margenrückgang in Kauf zu nehmen, sagte Konzernchef Mark Schneider. "Wir arbeiten sehr, sehr hart an Effizienzsteigerungen, um die Auswirkungen auf unsere Verbraucher abzumildern."

Die Preissteigerungen kurbelten das Wachstum an. Der Umsatz des Konzerns aus Vevey kletterte im Halbjahr um 9,2 Prozent auf 45,6 Milliarden Franken. Davon entfiel der Löwenanteil auf höhere Preise, der Rest auf Volumenwachstum und Zukäufe. Schneider hob die Prognose für das organische Umsatzwachstum im Gesamtjahr auf sieben bis acht von rund fünf Prozent an. Zuvor hatten bereits andere Konsumgüterkonzerne wie Unilever, Danone und Reckitt Benckiser ihre Umsatzprognosen für das Gesamtjahr nach oben geschraubt, nachdem sie dank kräftiger Preiserhöhungen die Umsatzerwartungen für das zweite Quartal übertreffen konnten.

Hochpreis-Produkte

Für die Branche ist entscheidend, ob die Konsumenten die Preiserhöhungen auch weiterhin schlucken und im Supermarkt zu hochpreisigen Produkten greifen. "Dies ist natürlich die Schlüsselfrage, die jeder sehr genau beobachtet", sagte Schneider. Bislang gebe es nur sehr wenige Anzeichen dafür, dass sich die Konsumenten günstigeren Produkten zuwendeten.

"Das heißt aber nicht, dass es nicht doch passieren könnte, und das ist etwas, das wir in der zweiten Jahreshälfte im Auge behalten müssen." Kepler Cheuvreux-Analyst Jon Cox sagte: "Die hohen Preise werden sich zwangsläufig irgendwann auf das Volumen auswirken, da sich die unter Druck stehenden Verbraucher wahrscheinlich in einigen Fällen nach billigeren Alternativen umschauen."

Margenausblick gesenkt

Im Gegensatz zur Umsatzprognose nahm Konzernchef Schneider den Margenausblick leicht zurück. Statt einer operativen Marge von 17,0 bis 17,5 Prozent peilt der Nestlé-Chef nun für das laufende Jahr noch rund 17 Prozent an. Dahinter stecken Inflation und Lieferkettenprobleme. Nestlé gibt die höheren Einkaufskosten zwar jeweils an den Handel und die Verbraucher weiter. Angesichts der Preisvereinbarungen besteht dabei aber eine zeitliche Verzögerung.

Bernstein-Analyst Bruno Monteyne zufolge ist Nestlé der erste große Branchenvertreter, der den Margenausblick senkt. Schneider zufolge sind die Preiserhöhungen bei Nestlé etwas moderater als bei Herstellern von Haushalts- und Körperpflegeprodukten. "Das hat viel mit der Tatsache zu tun, dass wir uns ausschließlich auf die Lebensmittelindustrie konzentrieren", sagte er. "Und das bringt eine gewisse Verantwortung mit sich, insbesondere wenn man in Schwellenländern tätig ist."

Der Reingewinn von Nestlé sank in den ersten sechs Monaten um 11,7 Prozent auf 5,2 Milliarden Franken und verfehlte damit die Analystenerwartungen. Nestlé verwies auf Wertberichtigungen etwa für das Russland-Geschäft sowie auf Restrukturierungskosten. An der Börse verloren die Aktien.-

(Reuters/cash)