Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im zweiten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 0,9 Prozent zurück, wie das Handelsministerium am Donnerstag auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten hingegen mit einem Wachstum um 0,5 Prozent gerechnet. Sei sagten in ersten Reaktionen:

FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW:

"Die US-Konjunktur hat seit Jahresbeginn deutlich an Schwung verloren. Nach zwei Quartalen negativer Wachstumsraten ist die US-Wirtschaft in eine technische Rezession gerutscht. Zwar dürfte das Wachstum der US-Wirtschaft im aktuellen und dem Jahresschlussquartal wieder etwas zulegen. Besonders die weiterhin hohen Inflationsraten und die anhaltenden Zinserhöhungen der US-Notenbank drücken jedoch zunehmend auf den Konsum. So ist etwa der Anstieg der Einzelhandelsumsätze im Juni fast vollständig auf höhere Preise zurückzuführen. Während der Arbeitsmarkt sich aktuell noch robust zeigt, mehren sich in den Geschäftserwartungen der Unternehmen im Einzelhandel und im Bausektor Zeichen einer Abkühlung. Schlagen sich diese Erwartungen in negativen Geschäftsergebnissen nieder, dürfte auch die Lage am Arbeitsmarkt kippen."

THOMAS GITZEL, VP BANK:

"Was für ein Schock! Die US-Wirtschaft schrumpft das zweiten Quartal in Folge. Die US-Notenbank wird sich derweil nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das US-BIP schrumpft vor allem aufgrund eines kräftigen Lagerabbaus. Die US-Notenbank ließ am gestrigen Abend auch keinen Zweifel daran, dass trotz bestehender wirtschaftlicher Risiken am Zinsanhebungskurs festgehalten wird. Die Fed wird im laufenden Jahr den Leitzins - trotz des zweimaligen BIP-Rückgangs - deshalb weiter spürbar anheben. Allerdings dürfte aufgrund des Rückgangs der Bauinvestitionen eine neuerliche Zinsanhebung um 75 Basispunkte im September vom Tisch sein."

RALF UMLAUF, HELABA:

"Die Zahl enttäuscht ganz klar und so stecken die USA mit zwei Minusquartalen in Folge in einer technischen Rezession. Der Blick auf das Wachstum der privaten Endnachfrage offenbart aber ein leicht besseres Bild, denn diese stagnierte nach einem soliden Auftaktquartal des Jahres. Die Lagerveränderungen belasten das Gesamtwachstum zum zweiten Mal in Folge sehr deutlich. Da zudem der Arbeitsmarkt robust erscheint und die Inflation auf sehr hohem Niveau liegt, ist die Fed bereit, weitere Zinserhöhungen zu beschließen. Allerdings werden die Zinserwartungen vor allem mittel- und langfristig in der Tendenz gedämpft."

DIRK CHLENCH, LBBW:

"Die US-Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal 2022 das zweite Mal in Folge. Damit ist die angelsächsische Daumenregel für das Vorliegen einer Rezession zwar erfüllt. Tatsächlich werden in den Vereinigten Staaten Rezessionsphasen jedoch durch das National Bureau of Economic Research (NBER) festgelegt. Die dortigen Volkswirte beobachten bei der Determinierung von Rezessionsphasen eine Reihe von Indikatoren. Der wichtigste Indikator dürfte dabei die Entwicklung am Arbeitsmarkt sein. Angesichts des weiterhin erfolgenden Beschäftigungsaufbaus halten wir es wie Fed-Präsident Jerome Powell und glauben, dass sich die US-Wirtschaft noch nicht in einer Rezession befindet. Aber angesichts der rapiden Verschlechterung der Stimmungsindikatoren kann sich dieser Befund schon in den nächsten Monaten ändern."

CHRISTOPH BALZ, COMMERZBANK:

"Das Umfeld für die US-Wirtschaft hat sich dieses Jahr deutlich verschlechtert. Die hohe Inflation verringert die Kaufkraft der Verbraucher, Material- und Arbeitskräftemangel bremsen die Produktion, die höheren Zinsen belasten die Investitionen und die Finanzpolitik hat die wegen der Pandemie eingeführten Hilfsprogramme beendet. Entsprechend zieht sich die konjunkturelle Schwäche quer durch fast alle BIP-Komponenten."

BASTIAN HEPPERLE, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

"Zweimal in Folge ist in den USA das BIP nun geschrumpft. Eine Rezession fühlt sich jedoch anders an: Dafür müsste der Rückgang der Wirtschaftsaktivität tiefer und viel breiter sein. Besonders die Beschäftigungsentwicklung passt überhaupt nicht zu einer Rezession. Doch der Konjunkturabschwung ist unterwegs: Hohe Inflationsraten, steigende Leitzinsen und deutlich schlechtere Finanzierungsbedingungen belasten. Das verdirbt die Konsumlaune und Unternehmen kürzen ihre Investitions- und Einstellungspläne. Die Aussichten sind alles andere als rosig."

(Reuters/cash)