Die EZB hatte den Leitzins erneut um 0,5 Prozentpunkte erhöht - trotz der Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer Grossbank Credit Suisse . "Das drückt berechtigtes Vertrauen in die Solidität des europäischen Bankensystems aus", kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die EZB habe sich nicht von ihrem angekündigten Zinskurs abbringen lassen.
Analyst Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen verwies jedoch darauf, dass die EZB sich in ihrem begleitenden Statement nicht auf weitere Zinserhöhungen festgelegt habe: "Alles in allem hat es den Anschein, dass die Währungshüter sich eher in Zurückhaltung üben könnten und das Zinstempo reduzieren." Laut Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets rechnen die Anleger trotz der weiterhin hohen Inflation in Zukunft sogar mit einer Zinspause.
Oldenburger brachte das Dilemma der Notenbanken auf den Punkt: "Eine Pause einlegen und riskieren, dass die Inflation wieder steigt oder die Zinsen anheben und eine sich ausweitende Finanz-Kernschmelze riskieren." Nach der EZB müsse in der kommenden Woche auch die US-Notenbank Fed bei ihrer Zinssitzung am 22. März entscheiden, welcher Weg der bessere sei.
Die Banken standen folglich erneut besonders im Fokus. Ein milliardenschweres Hilfspaket der Schweizer Notenbank für die angeschlagene Credit Suisse stützte den gesamten Sektor. Zudem betonte die EZB, dass die Kapital- und Liquiditätspositionen der Banken des Euroraums solide seien. Hierzulande reduzierte die Commerzbank ihre Erholungsgewinne nach dem EZB-Zinsentscheid auf ein Plus von 0,3 Prozent, die Deutsche Bank gab sogar 1,3 Prozent nach.
Abseits der Banken trotzte Siemens Energy mit einem Plus von 5,1 Prozent dem prinzipiell belastenden Effekt einer milliardenschweren Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Komplettübernahme der Windkrafttochter Siemens Gamesa und setzte sich an die Dax-Spitze. Der Markt sei auf den Schritt bereits gut vorbereitet gewesen, hiess es von Börsianern.
Bei Grand City Properties kam dagegen der Verzicht auf eine Dividende nicht gut bei den Anlegern an. Die Aktien rutschten als Schlusslicht im Nebenwerte-Index SDax um 6,8 Prozent auf ein Tief seit Februar 2014. Noch etwas deutlicher um 10,2 Prozent fielen in diesem Sog die Anteile von Mutterkonzern Aroundtown im MDax. Am Dax-Ende ging es für Vonovia um 4,4 Prozent bergab. Europas grösster Wohnungsvermieter kürzte am Abend nach Börsenschluss die Dividende und legt seine Zahlen am Freitag vor. TAG Immobilien verloren zudem nach einem vorsichtigen Ausblick 4,5 Prozent.
Der Pharmaforscher Evotec konnte mit der Nachricht über Fortschritte in seiner Kooperation mit dem US-Konzern Bristol Myers Squibb (BMS) und einer Millionenzahlung punkten. Die Papiere legten als Spitzenreiter im Index der mittelgrossen Werte um 6,7 Prozent zu.
Aktien von Morphosys führten dagegen den SDax mit einem Plus von 7,4 Prozent an. Ein Händler bezeichnete die Geschäftszahlen für 2022 vom Vorabend als "nicht so schlimm wie befürchtet". Der Umsatz sei höher als erwartet und der Verlust geringer als angenommen. Mit dem Barmittelbestand könne das Unternehmen zudem noch einige Jahre agieren.
Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone schloss 2,03 Prozent höher bei 4116,98 Punkten. Der französische Cac 40 stieg ebenso um gut 2 Prozent, während der britische FTSE 100 rund 0,9 Prozent zulegte. In New York drehte der Dow Jones Industrial nach einem schwachen Start ins Plus und gewann zum europäischen Handelsschluss knapp 1 Prozent, für den technologielastigen Auswahlindex Nasdaq 100 ging es sogar um mehr als 2 Prozent aufwärts.
Der Euro legte nach seinem jüngsten Kursrutsch wieder etwas zu und wurde zuletzt mit 1,0622 US-Dollar gehandelt. Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,0595 (Mittwoch: 1,0549) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,9438 (0,9480) Euro.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,34 Prozent am Vortag auf 2,29 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,33 Prozent auf 125,41 Punkte. Der Bund-Future verlor 0,50 Prozent auf 136,28 Zähler./niw/jha/
--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX ---
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