"Der Libanon ist am Ende", klagte eine Frau, die sich Rana nennt, in einem Supermarkt in der Hauptstadt Beirut. Sie zeigte sich sichtlich geschockt über die stark gestiegenen Preise. "Wir können so nicht weitermachen. Der Libanon steuert direkt auf Hunger zu." Eine andere Frau stöhnte, sie könne kaum noch die notwendigen Güter für ihre Kinder kaufen: "Wenn du in diesen Tagen einen Supermarkt betrittst, dann heulst du entweder oder du rennst schnell wieder raus."

Manche Läden bleiben geschlossen. Auf Schildern steht: "Wir entschuldigen uns, aber wir können ihnen keine guten Preise mehr bieten." Vor Bäckereien bilden sich lange Schlange von Brotkäufern. Im Mai lag die Inflation im Jahresvergleich bei rund 56 Prozent, die Preise für Lebensmittel kletterten sogar um mehr als 80 Prozent.

Das kleine Land am Mittelmeer erlebt seit Monaten die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrisen seit Ende des Bürgerkriegs 1990. Im März konnte die Regierung erstmals Anleihen nicht bedienen. Der Libanon gehört weltweit zu den am stärksten verschuldeten Staaten.

Die Regierung verhandelt deswegen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Rettungsprogramm. Die Gespräche kommen nur schleppend voran. Unter anderem konnte Libanons Regierung bisher keine einheitlichen Zahlen zur Höhe der Verschuldung vorlegen. Kritiker werfen ihr vor, sie zeige sich einmal mehr reformunfähig.

Das libanesische Pfund war über Jahre fest an den Dollar gebunden. Ein Dollar kostete etwa 1500 Pfund. Ein Grossteil der Waren in den Supermärkten muss aus dem Ausland importiert werden. Den Händlern fehlen jedoch die Devisen, um die Regale ausreichend zu füllen. Auch die Preise für einheimische Waren steigen, weil der ebenfalls importierte Treibstoff immer teurer wird. Viele Libanesen horten derzeit Kerzen, weil sie ein Ende der Treibstoffvorräte befürchten./jku/DP/stk

(AWP)