Für etwas Druck auf den Euro sorgen schwache Konjunkturdaten aus Italien. Die Industrie des Landes schrumpfte im April im Monatsvergleich überraschend erneut. In Italien macht die Industrie mache fast einen Fünftel der Wirtschaft aus und dürfte das Bruttoinlandsprodukt des Landes im zweiten Quartal entsprechend belasten, so Volkswirtin Melanie Debono von Pantheon Macroeconomics.

Am Vortag hatten schwache Jobdaten aus den USA den Euro angetrieben. In der vergangenen Woche war die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe deutlich stärker gestiegen als von Analysten erwartet. Dies könnte dafür sprechen, dass die bisherigen Zinserhöhungen der US-Notenbank zur Bekämpfung der Inflation bereits wirken und sich die Wirtschaft abkühlt. Insofern könnte das Fed in der kommenden Woche tatsächlich wie von Experten prognostiziert eine Zinspause einlegen.

Derweil erreichte die türkische Lira erneut historische Tiefstände gegenüber dem Dollar und dem Euro. Dabei half nicht, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Hafize Gaye Erkan eine ehemalige US-Bankerin zur Chefin der türkischen Zentralbank ernannt hat. Erdogan hatte die Notenbank in der Vergangenheit immer wieder unter Druck gesetzt, die Zinsen trotz der sehr hohen Inflation niedrig zu halten, und Chefs mehrmals ausgetauscht. Die Hoffnung ist nun, dass Erkan die türkische Geldpolitik normalisiert.

Beobachtern zufolge ist eine Zinserhöhung die einzige verbleibende Möglichkeit, die Lira zu stützen. Denn die Türkei weist ein Leistungsbilanzdefizit aus und ihre Devisenreserven sind in den letzten Monaten geschrumpft.

Die US-Bank JPMorgan und die britische Investmentbank Barclays rechnen damit, dass die türkische Notenbank an ihrer Sitzung am 22. Juni eine Anhebung des Leitzinses um 16,5 Prozentpunkte beschliessen wird - mehr als das Doppelte dessen, was die Bank Société Générale erwartet. Aber selbst das könnte sich angesichts einer Inflation von knapp 40 Prozent im Mai und einer noch höheren Kerninflation - ohne Energie und Lebensmittel - von fast 47 Prozent als zu moderat erweisen. Aktuell beträgt der Leitzins 8,5 Prozent.

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(AWP)