In den Augen des Chefermittlers habe Vincenz tatsächlich eine Straftat begangen, so der Bericht. Der langjährige Chef der Bankengruppe solle bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. Aduno hatte bereits im Dezember 2017, Raiffeisen im Februar 2018 Anzeige gegen Vincenz eingereicht.

In den Augen der Justiz hätte Vincenz Investitionen offenlegen und den daraus erzielten Ertrag abliefern müssen, heisst es nun in dem Artikel. Zudem könne Vincenz dabei gegen Treu und Glauben verstossen haben. Das hänge davon ab, ob seine Taten die Raiffeisen und die Aduno, die heute Viseca heisst, geschädigt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Köpferollen bei Raiffeisen

Bei der Raiffeisen hatte der Fall Vincenz für Köpferollen gesorgt. Vincenz-Nachfolger Patrik Gisel musste seinen Chefposten an Heinz Huber abgeben. Zuvor hatte die Raiffeisen-Delegiertenversammlung mit Guy Lachappelle, dem vormaligen Chef der Basler Kantonalbank, bereits einen neuen Verwaltungsratspräsidenten gewählt und weitere Verwaltungsräte aus der "Vincenz-Ära" ersetzt.

Gisel hatte zuvor bereits seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt gehabt. In der Auseinandersetzung um das Geschäftsgebaren des früheren Raiffeisen-Chefs Vincenz war er als dessen damaliger Stellvertreter wiederholt kritisiert worden.

Vincenz selbst war 2015 als Raiffeisen-CEO zurückgetreten. In seiner Zeit als Chef war die Gruppe zwar durch eine starke Expansion und zahlreiche Übernahmen aufgefallen. Doch soll er laut den Vorwürfen bei Akquisitionen eben auch persönlich abkassiert haben. Er war wegen der Vorwürfe gar wochenlang in Untersuchungshaft gesetzt worden.

"Fragwürdige" Investitionen

Eine unabhängige Untersuchung des Professors Bruno Gehrig zu den Vorfällen war bereits zum Befund gekommen, dass in der Zeit von Vincenz teilweise "strategisch fragwürdige" Investitionen getätigt und Firmenkäufe zu teuer bezahlt wurden. Zudem habe unter Vincenz eine "Kultur des vorauseilenden Gehorsams" geherrscht. Die Bankengruppe musste sich wegen der Einkaufstour von Vincenz gemäss Untersuchung bis zu 300 Millionen Franken ans Bein streichen.

Der richtige Kaufrausch fand in den Jahren 2012 bis 2015 statt, als Zukäufe im Wert von weit über 1 Milliarde Franken getätigt wurden. Die Untersuchung hatte 22 Beteiligungsgeschäfte genauer unter die Lupe genommen. Darunter waren unter anderem der Kauf der ehemaligen Bank Wegelin, die in Notenstein umbenannt wurde, oder der Kauf mehrere Asset-Management-Gesellschaften.

Oft habe Raiffeisen überhöhte Preise nach den Vorstellungen der Verkäufer bezahlt, obwohl es interne Kritik daran gegeben habe. Die Folge waren happige Verluste. "Durch mangelnde Führung und Kontrolle, organisatorische Versäumnisse und eine personenzentrierte Kultur sind finanzielle Nachteile, vor allem aber ein Reputationsschaden für die ganze Raiffeisen Gruppe entstanden", schrieb Gehrig in seinem Bericht.

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(AWP)