Kühne+Nagel dürfte für das Jahr 2022 auf allen Stufen sehr gute Zahlen vorlegen und auch die Dividende erhöhen. Darin sind sich die Analysten einig. Sie rechnen mit einem Umsatzplus von knapp 17 Prozent auf 38,3 Milliarden Franken gemäss AWP-Konsens und einem Wachstum beim Rohertrag von 12 Prozent - mit dieser Zahl wird ausgedrückt, wie viel Geld bei Kühne+Nagel bleibt, nachdem die oft schwankenden Frachttarife der Reeder und Fluggesellschaften beglichen wurden. Bei den Gewinnzahlen werden gar noch stärkere Verbesserungen vorhergesagt.

Das Hauptinteresse wird sich darauf richten, wie gut die Geschäfte im Schlussquartal liefen. Denn der Konzern spürte im dritten Quartal erste Anzeichen einer globalen konjunkturellen Abkühlung. "Auch bei uns gingen in der Seefracht die Volumen zuletzt zurück", sagte Finanzchef Markus Blanka-Graff im letzten Oktober. Die Seefracht steuert rund die Hälfte zum gesamten Umsatz bei.

Dazu kam, dass die Häfen wegen dieser Volumenrückgänge weniger verstopft waren. Dies ist für Kühne+Nagel nicht nur eine positive Nachricht. Denn Warenströme zu organisieren, war wegen der Lieferkettenprobleme zuvor aufwändiger und damit für die Kunden teurer. Die Mitarbeitenden von Kühne+Nagel mussten kurzfristig alternative Routen finden und die Waren öfter umladen - gegen gutes Geld, versteht sich. Die Analysten gehen deshalb für das vierte Quartal allein von Resultaten klar unter Vorjahr aus.

Ausserdem wird das Unternehmen am Mittwoch neue Mittelfristziele bekannt geben. Das Ziel der letzten Strategieperiode wurde schon vor einiger Zeit übertroffen. So wurde eine Konversionsmarge von 16 Prozent für 2022 angepeilt; diese Marge drückt das Verhältnis von EBIT zu Rohertrag aus. Schon 2021 wurde infolge der Marktverwerfungen rund um die Pandemie mit 30 Prozent ein ausserordentlich hoher Wert erreicht, Analysten gehen für 2022 sogar von einem noch höheren Wert aus. Für die kommenden Jahre wird aber von Analysten infolge der Normalisierung des Marktes wieder eine deutlich tiefere Marge prognostiziert.

Zurückhaltung bei Zielvorgaben

Abgesehen vom längerfristigen Konversionsmargen-Ziel hält sich das Unternehmen mit klaren Zielvorgaben zurück. Im letzten Oktober hiess es bloss, man wolle die Dynamik des asiatischen Marktwachstums nutzen und den Produktmix sowie die Kosten weiterhin im Griff haben.

CFO Markus Blanka-Graff ergänzte damals aber gegenüber AWP, dass er für das Schlussquartal bei der Seefracht-Marge keine dramatischen Veränderungen erwarte. "Eine Conversion Rate von 50 bis 55 Prozent halte ich für möglich", sagte er. Zum Vergleich: Im dritten Quartal wurde bei dieser Kennzahl ein Wert von knapp 61 Prozent erreicht

Eine konkrete Prognose für das nächste Jahr wollte der Finanzchef damals nicht geben. Die Analysten gingen aber von einem deutlich tieferen EBIT von durchschnittlich 2,3 Milliarden Franken aus. "Von der Grössenordnung her stimmt das", so Blanka-Graff. "Wobei wir diesen Wert eher am unteren Rand der Prognose-Bandbreite sehen."

Seit August hat Kühne+Nagel einen neuen CEO. Wie schon im November 2021 angekündigt worden war, übernahm Stefan Paul das Amt von Detlef Trefzger. Paul ist ein Kühne+Nagel-Urgestein: Er begann seine Karriere 1990 im Unternehmen. Später wechselte er zu anderen Logistikfirmen, ehe er 2013 wieder zum Konzern zurückkehrte. Damals wurde er Mitglied der Geschäftsleitung und war zunächst verantwortlich für die Landverkehrsaktivitäten. Später übernahm er auch die Zuständigkeit für den weltweiten Vertrieb.

Im November wurde bekannt, dass Marc Pfeffer in seiner Funktion als Chefjurist per Anfang 2023 auch Mitglied der Geschäftsleitung wird. Er kam laut Mitteilung 2014 zur internationalen Logistikgruppe mit globaler Verantwortung für die Konzernrechtsabteilung, inklusive Handelskontrolle und Datenschutz. Ihm ist auch die eigenständig geführte Compliance-Abteilung zugeordnet.

Die Aktien von Kühne+Nagel sind seit Jahresbeginn um gut 12 Prozent gestiegen, während der Gesamtmarkt gemessen am SPI um rund 5 Prozent zugelegt hat. Im vergangenen Jahr verloren die Papiere gut einen Viertel ihres Wertes.

(AWP)