Veröffentlichte Gerichtsunterlagen werfen ein neues Licht auf den Niedergang der Kryptobörse FTX.  Für Investoren und Kunden des Unternehmens, das einst 32 Milliarden Dollar wert war, sind die jüngsten Enthüllungen ein weiterer schrecklicher Augenöffner.

FTX und seine Tochtergesellschaften hatten am 11. November im US-Bundesstaat Delaware Konkurs angemeldet, nachdem Kunden als Reaktion auf die heimliche Verschiebung von Einlagen im Volumen von zehn Milliarden Dollar massenhaft Gelder abgezogen hatten.

Der neue FTX-CEO John Ray, der 2001 die Liquidation von Enron beaufsichtigt hatte, sagte kürzlich: "Noch nie in meiner Laufbahn habe ich ein so vollständiges Versagen der Unternehmenskontrollen und ein so vollständiges Fehlen vertrauenswürdiger Finanzinformationen erlebt wie in diesem Fall."

Anleger und Kunden müssen mit happigen Verlusten rechnen

Der rasche Zusammenbruch von FTX hat die gesamte Branche erschüttert und Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether absacken lassen. Eine grosse Zahl von Gläubigern dürfte schluessendlich leer ausgehen. Darunter befinden sich auch viele Kleinanleger, die Gelder bei der Kryptobörse angelegt hatten. Dies schreibt die Finanzinformationsplattform "Markets Insider".

Es wird erwartet, dass sich die Verluste sowohl für die Anleger des Unternehmens als auch für seine Kunden auf weit über zehn Milliarden Dollar belaufen. Die Auswirkungen dürften noch lange nachwirken, auch wenn der ehemalige FTX-CEO Sam Bankman-Fried weiterhin über mögliche nächste Schritte zur Rettung twittert. 

So wurde in Miami eine Sammelklage gegen Sam Bankman-Fried eingereicht. Die von FTX angebotenen verzinsten Kryptowährungskonten hätten wegen einer fehlenden Lizenz in den USA nicht angeboten werden dürfen, hiess es in der Klageschrift. Neben Bankman-Fried fordern die Kläger auch von Football-Superstar Tom Brady und Tennisspielerin Naomi Osaka Schadenersatz. Die beiden hätten FTX als Werbefiguren unterstützt.

Die FTX-Pleite ruft auch die Politik auf den Plan. Das US-Repräsentantenhaus plant eine Anhörung zu dem Thema. Neben Bankman-Fried sollen auch Vertreter von Konkurrenten wie Binance gehört werden. 

Hier sind die verrücktesten Details aus dem veröffentlichten Insolvenzantrag von letzter Woche.

Die alptraumhafte Bilanz von FTX

Nach der Implosion von FTX behauptete Bankman-Fried auf Twitter, dass FTX etwa 5,5 Milliarden Dollar in "weniger liquiden" Krypto-Token hielt. In Wirklichkeit hatten die Kryptobestände von FTX laut Insolvenzanmeldung am 30. September einen Marktwert von nur 659'000 Dollar. Diese Zahl könnte angesichts der Volatilität, die den Kryptomarkt seither erschüttert hat, auch deutlich niedriger sein.

Es gab schon vor dem veröffentlichten Insolvenzantrag Hinweise darauf, dass die internen Zahlen schrecklich sein würden: Gründer Sam Bankman-Fried bezeichnete in mehreren Tweets die Finanzen von FTX als "ungefähr" und "nach bestem Wissen und Gewissen" erstellt.

Bankman-Fried und Co. erhielten Darlehen in Höhe von 3,3 Milliarden Dollar

Aus dem Insolvenzantrag von FTX geht hervor, dass Alameda Research, die Krypto-Hedgefonds-Schwestergesellschaft von FTX, Sam Bankman-Fried direkt 1 Milliarde Dollar geliehen hat. Darüber hinaus hat Alameda weitere 2,3 Milliarden Dollar an Paper Bird verliehen, an dem Bankman-Fried eine Mehrheitsbeteiligung hält. 

Auch andere FTX-Mitarbeiter erhielten Darlehen von Alameda. Darunter gingen 543 Millionen Dollar an den Leiter der Technikabteilung Nishad Singh und 55 Millionen Dollar an den Leiter der FTX-Digitalmärkte Ryan Salame. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Darlehen in nächster Zeit zurückgezahlt werden.

FTX hatte keine Buchhaltungsabteilung - Bilanzprüfer im Metaverse

Der neue CEO sagte laut Konkursanmeldung, dass FTX kompromittierte interne Systeme, eine mangelhafte behördliche Aufsicht sowie unerfahrene und ungebildete Mitarbeiter hatte, die für die Finanzen des Unternehmens zuständig waren. Zu diesen Missständen gehört auch, dass das Unternehmen keinen Buchhalter hatte, der für die Finanzen zuständig war. Dies ist für ein Unternehmen, das einst mit 32 Milliarden Dollar bewertet wurde, mehr als erstaunlich. 

"Die Schuldner sind dabei, alle verfügbaren Unterlagen zu beschaffen und zu sichern. Aber es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis verlässliche historische Finanzberichte für die FTX-Gruppe erstellt werden können, mit denen ich als CEO zufrieden bin", sagte Ray. Die Prüfung der Unternehmensfinanzen wurde von einer Firma mit Büros im Metaversum durchgeführt.

FTX hatte ursprünglich gewarnt, dass es nach der Implosion der Kryptobörse mehr als 100'000 Gläubiger hatte, denen es Geld schuldete. "In der Tat könnte es mehr als eine Million Gläubiger geben", heisst es in der Insolvenzanmeldung.

Den 50 grössten Gläubigern schuldet FTX nach eigenen Angaben fast 3,1 Milliarden Dollar. Allein auf die zehn grössten Geldgeber würden etwa 1,45 Milliarden Dollar entfallen. 

FTX hat möglicherweise Firmengelder verwendet, um Häuser für Mitarbeiter zu kaufen

"Auf den Bahamas wurden meines Wissens Unternehmensgelder der FTX-Gruppe zum Kauf von Häusern und anderen persönlichen Gegenständen für Mitarbeiter und Berater verwendet", so der neue FTX-CEO in der Konkursanmeldung. 

Schlimmer noch: Für einige dieser Transaktionen scheint es keine ordnungsgemässe Dokumentation zu geben. Und bestimmte Immobilien wurden in den Aufzeichnungen der Bahamas auf den persönlichen Namen von FTX-Mitarbeitern und -Beratern eingetragen, obwohl sie mit Geldern von FTX erworben wurden.

Zu allem Überfluss ist Bankman-Frieds grösster "Fehler" bei der Implosion von FTX seiner Meinung nach die Tatsache, dass er überhaupt einen Insolvenzantrag gestellt hat. Der früher als Krypto-Wunderkind gefeierte Bankman-Fried schrieb einem Vox-Redaktor auf Twitter, dass diejenigen, die jetzt für FTX verantwortlich sind, "versuchen, alles niederzubrennen". 

"Weisst du, was vielleicht mein grösster Fehler war?" fragte Bankman-Fried den Redaktor. "Die eine Sache, von der mir *jeder* sagte, ich solle sie tun." 

(cash)